VG Köln, Beschluss vom 26.08.2011
Az.: 18 K 2838/09
Download des PDF-DokumentesDie Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung.
Der wesentliche Inhalt der Akten wird durch die Berichterstatterin vorgetragen.
Mit den anwesenden Beteiligten wird die Sach- und Rechtslage erörtert.
Die Vorsitzende weist darauf hin, dass die angefochtenen Bescheide schon deshalb rechtswidrig sein dürften, weil Ermessenerwägungen vollständig fehlen.
Ungeachtet dessen sind die Berufsrichter der Kammer nach Vorberatung der Auffassung, dass in Fällen der vorliegenden Art eine Verpflichtung der Klägerin, ein Führerscheinbeiblatt für einen Triebfahrzeugführer aufzustellen, grundsätzlich rechtlich nicht zu bestanden sein dürfte.
Ermächtigungsgrundlage für eine derartige Verpflichtung ist § 5a Abs. 2 AEG.
Danach kann das EBA als Eisenbahnaufsichtsbehörde gegenüber den Eisenbahnen des Bundes die Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften erforderlich sind.
Die Klägerin hat gegen die Pflicht zur sicheren Betriebsführung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG i.V.m. Ziffer 1.3.2 der Eisenbahnfahrzeug-Führerschein-Richtlinie verstoßen. Denn sie hat dem Triebfahrzeugführer für die Zugfahrt AZ 1392 kein Beiblatt ausgestellt.
Ausweislich ihrer Präambel (S. 7 der Richtlinie) in der ab dem 01.07.2006 geltenden Fassung konkretisiert die Richtlinie die in § 4 Abs. 1 AEG i.V.m. § 54 EBO normierten Verantwortlichkeiten der Eisenbahnen. Für den Einsatz des Eisenbahnfahrzeugführers verantwortliches Unternehmen ist hier die Klägerin. Denn sie hat die Verkehrsleistung im Rechtsverkehr verantwortlich erbracht und damit auch den Triebfahrzeugführer verantwortlich eingesetzt.
Ziffer 1.3.2. knüpft nicht an die arbeitsrechtliche Verantwortlichkeit an, vielmehr geht es um die eisenbahnrechtliche Verantwortlichkeit für die Betriebssicherheit nach § 4 Abs. 1 AEG. Denn diese soll durch die Richtlinie konkretisiert werden. Der in Ziffer 1.3.2. der Eisenbahnfahrzeugrichtlinie verwendete Begriff der Verantwortlichkeit ist deshalb auch im Lichte des § 4 Abs. 1 AEG auszulegen.
Verantwortlich für den Einsatz des Eisenbahnfahrzeugführers ist daher dasjenige Unternehmen, dem insoweit die Sicherheitspflicht des § 4 Abs. 1 AEG auferlegt ist. Adressat der Sicherheitsverpflichtung aus § 4 Abs. 1 AEG sind ausschließlich Eisenbahnen, also EIU und EVU.
EVU sind Eisenbahnen, die Eisenbahnverkehrsleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 AEG erbringen. Erbringer einer Eisenbahnverkehrsleistung ist derjenige, der die Verkehrsleistung rechtlich verantwortlich durchführt, wer also im Rechtsverkehr zur Erbringung der Eisenbahnverkehrsleistung verpflichtet ist. Das ist im Fall des § 14 Abs. 2 Nr. 1 AEG das EVU, dem die Trasse zugewiesen ist. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 AEG ist Erbringer der Eisenbahnverkehrsleistung das EVU, das den dort genannten Stellen zur Erbringung der Verkehrsleistung rechtlich verpflichtet ist.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AEG muss das EVU überdies in der Lage sein, die Zugförderung sicherzustellen. Das setzt nicht notwendig voraus, dass die für den Betrieb erforderlichen Triebfahrzeuge eigene Betriebsmittel des EVU sind. Es reicht, wenn das EVU diese bei Bedarf beschaffen kann, also z.B. die für den Eisenbahnverkehrs benötigten Triebfahrzeuge anmietet oder least. Auch der Einsatz eigenen Zugpersonals oder eigener Triebfahrzeugführer wird nicht vorausgesetzt.
Kunz, § 2 Rdnr. 2; Beck, § 2 Rdnr. 57 i.V.m. Rdnr. 8 unter Hinweis auf EuG, Urteil vom 15.09.1998 – T-375/94 – wohl Rdnr. 183
Nimmt das EVU bei der Zugförderung Leistungen Dritter in Anspruch, bleibt es gleichwohl für die Erfüllung der Verpflichtungen aus § 4 Abs. 1 AEG allein verantwortlich. Die Sicherheitsverantwortung eines EVU ist in diesem Sinne unteilbar. Insbesondere kann sie nicht durch vertragliche Vereinbarung auf Dritte übertragen werden.
Beck, § 2 Rdnr. 57 und § 4 Rdnr. 26.
Diese richterliche Einschätzung dürfte auch nach Inkrafttreten der Triebfahrzeugführerscheinverordnung vom 29.04.2011, die der Umsetzung der Richtlinie 2007/59/EG dient, weiter Gültigkeit haben. Denn auch die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 3 TfV dürfte, mit Ausrichtung auf die eisenbahnrechtliche und nicht die arbeitsrechtliche Verantwortung des EVU auszulegen sein. Auch der Verordnungsgeber geht davon aus, dass mehrere Zusatzbescheinigungen für einen Triebfahrzeugführer ausgestellt werden können, nach den Verordnungsmaterialien ist der Unternehmer i.S. der genannten Vorschriften meist der Arbeitgeber, muss es aber nicht notwendig sein.
Die Kammer hält es für denkbar, dass die Klägerin ihre Verpflichtung zur Ausstellung eines Führerscheinbeiblatts dadurch erfüllen kann, dass sie jedem einzelnen für sie tätigen und bei der … beschäftigten Triebfahrzeugführer eine unterschriebene Bescheinigung des Inhalts ausstellt, dass die Klägerin das Beiblatt der … mit Rücksicht auf dieselben Standards der Ausbildung, Prüfung und Nachschulung anerkennt.
Der Vertreter der Beklagten erklärt:
„Ich hebe den Bescheid vom 28.01.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 01.04.2009 auf.“
Vorgelesen und genehmigt
Sodann erklären die Beteiligten mit Rücksicht darauf die Hauptsache für erledigt.
Vorgelesen und genehmigt
Der Vertreter der Beklagten erklärt:
„Die Beklagte ist bereit, die Kosten des Verfahrens zu übernehmen.“
Vorgelesen und genehmigt
Gericht | VG Köln |
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Typ | Beschluss |
Datum | 26.08.2011 |
Normen | § 2 Abs. 2 Satz 1 AEG, § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG, § 4 Abs. 3 Satz 2 AEG, § 5 Abs. 1 AEG, 5a Abs. 2 AEG, § 14 Abs. 2 Nr. 1-4 AEG, § 54 EBO, Ziffer 1.3.2 Eisenbahnfahrzeug-Führerschein-Richtlinie, § 2 Nr. 3 TfV |
Stichworte | Sicherheitsrecht, Triebfahrzeugführer, Führerschein, Beiblatt |