Tagung 2011
„Fehler im Jurastudium – Ausbildung und Prüfung”
Fachtagung an der Universität Passau am 13. und 14. September 2011
Idee der Tagung
Die Tagung führt diejenigen zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch zusammen, die in der juristischen Ausbildung mit Lehre und Prüfung befasst sind. Das Thema »Fehler im Jurastudium« wird dabei aus den Blickwinkeln aller an der Ausbildung Beteiligten beleuchtet. Die Tagung widmet sich zunächst einer kritischen Bestandsaufnahme, um daraus neue Ansätze für die Ausbildung zu gewinnen. Bei der Suche nach den richtigen didaktischen Ansätzen in der Lehre spielen Art und Schwierigkeitsgrad der Prüfungsaufgaben sowie der in der Prüfung angelegte Bewertungsmaßstab eine entscheidende Rolle. Zudem ergeben sich aus der Auseinandersetzung mit Fehlern in Prüfungsleistungen der Studierenden wichtige Erkenntnisse für die Anforderungen an die Lehre. Die Tagung bietet Gelegenheit, gerade auch über die sich aus dieser Wechselwirkung ergebenden Probleme offen zu diskutieren. Dabei erscheinen die Möglichkeiten, die sich der Lehre für eine optimale Prüfungsvorbereitung bieten, bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Insgesamt möchte die Tagung auch einen Beitrag zur Standortbestimmung der noch jungen Disziplin »Rechtsdidaktik« leisten.
Sponsoren
Die Tagung wurde maßgeblich gefördert von der Kanzlei Gleiss Lutz. Des Weiteren haben die Tagung unterstützt der Verlag C.H. Beck, die Rechtsanwaltskammer München und der Verlag Nomos.
Kurzbericht zur Tagung
Ziel der Tagung war es, mit dem Thema „Fehler im Jurastudium“ einen Beitrag zur Standortbestimmung der noch jungen Disziplin der Rechtsdidaktik zu leisten. Die engagiert diskutierenden gut 100 Teilnehmer aus dem Kreis der Studierenden, der Vertreter der Landesjustizprüfungsämter, der Wissenschaftlichen Mitarbeiter und der Professoren zeigten dabei, wie lebendig die Szene ist und wie sehr den Beteiligten an einem Erfahrungsaustausch gelegen ist.
Im Folgenden werden schlaglichtartig einige Aspekte aus den Vorträgen und der Podiumsdiskussion herausgegriffen. Für Details sei auf den Tagungsband hingewiesen.
Woran erkennt man einen didaktischen Fehler?
Jun.-Prof. Dr. Maria v. Tippelskirch, Universität Hamburg, widmete sich einleitend der Frage, wie didaktische Fehler überhaupt ermittelt werden können. Schon im Hinblick auf Lernziele und -inhalte bestünden sehr unterschiedliche Vorstellungen. Was die Lehrmethoden angeht, so sei die Adressatenorientierung bereits stärker ins Bewusstsein getreten, die Umsetzung sei aber noch unzureichend.
Die universitäre Vorbereitung auf die Staatsprüfung – Verbesserungswürdiges aus der Sicht eines „Außenstehenden“
Aus Sicht von Christian Wehowsky, Rechtsanwalt und Inhaber eines Repetitoriums für Öffentliches Recht in München, reißt ein Studienplan, der das Schwerpunktstudium in den mittleren Semestern ansiedelt, ein zu großes Loch zwischen den inhaltlich aufeinander aufbauenden Phasen des Grundstudiums und der unmittelbaren Vorbereitung auf die Staatsprüfung. Neben dem Schwerpunktbereichsstudium verkümmere die Beschäftigung mit den Pflichtfächern weitgehend.
Institution und Initiation: Soziologische Schlaglichter auf die Juristische Staatsprüfung
Anja Rudek, Fern-Universität Hagen, warf soziologische Schlaglichter auf die Juristische Staatsprüfung und hielt den anwesenden Juristen – Frau Rudek ist selbst Juristin – einen Spiegel vor. So machte sie deutlich, dass die Staatsprüfung auch Initiationsritus und eine Grenzerfahrung ist, die die Profession zusammenschmiedet, und dass dabei Rationalitätsmythen vorherrschen.
Die Klausuren der Ersten Juristischen Staatsprüfung in Bayern
Ministerialdirigent a.D. Dr. h.c. Heino Schöbel, ehemaliger Leiter des Bayerischen Landesjustizprüfungsamts, betonte, dass in den für die Staatsprüfung ausgewählten Klausuren entsprechend den Vorgaben der Prüfungsordnung Verständnis des Rechts, also Problembewusstsein, Argumentationsvermögen und exaktes methodisches Vorgehen geprüft werde, nicht das Wiedergeben auswendig gelernten Stoffs.
Die Große Vorlesung – Ein Fehler im Jurastudium?
Prof. Dr. Martin Löhnig, Regensburg, stellte den Mehrwert der klassischen großen Vorlesung neben gut geschriebenen Lehrbüchern in Frage. An die Stelle der Vorlesung könnten Kolloquien treten, in denen beispielhaft Rechtsprobleme mit – idealerweise gut vorbereiteten – Studierenden diskutiert werden könnten. Im Übrigen müsse der Prüfungsstoff reduziert und ggf. in die Schwerpunktbereiche verlagert werden.
Reproduzieren(lassen) von Streitständen – ein Kardinalfehler
Volker Steffahn, Bucerius Law School Hamburg, warnte in seinem Referat „Reproduzierenlassen von Streitständen – ein Kardinalfehler“ davor, Studierenden fertige Streitstände zu bestimmten Problemen vorzugeben. Vielmehr müssten die Studierenden ermutigt werden, selbst die relevanten Fragestellungen zu formulieren und mögliche Argumente dazu zu finden.
Was soll im juristischen Studium unterrichtet werden?
Prof. Dr. Frank Bayreuther, Universität Passau, plädierte in seinem Referat „Was soll unterrichtet werden: abstrakte Lehren oder Fallbezug von Anfang an?“ für eine Beibehaltung der klassischen großen Vorlesung, da sie die für die Fallbearbeitung nötigen Kenntnisse erst liefere. In die Vorlesung sollten jedoch kleinere und auch größere Fälle eingestreut werden, um früh genug deutlich zu machen, „wo die Reise letztlich hin geht“.
Recht lernen am Computer?! – Sinn und Unsinn des E-Learning in der juristischen Ausbildung
Dr. Michael Beurskens, LL. M., Universität Düsseldorf, sprach über Sinn und Unsinn des E-Learning in der Juristischen Ausbildung. An zahlreichen Beispielen wies er nach, dass E-Learning die klassischen Lernformen zwar keineswegs ersetzen kann, dass aber juristische Inhalte auf Grund der strukturierten, textbasierten Denkweise grundsätzlich gut am Computer abbildbar sind. Zudem lassen sich mit E-Learning ganz neue didaktische Konzepte erproben.
Probleme in der österreichischen Juristenausbildung – ganz ohne Staatsexamen
Auch ein Blick ins Ausland stand auf dem Programm. So berichtete Prof. Dr. Gerhard Schummer, Universität Graz, dass die Juristenausbildung in Österreich – auch ohne Staatsexamen und Studienbeiträge – letztlich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen habe wie hierzulande.
Die Situation der Juristenausbildung in Russland
Prof. Dr. Ludmila Mizkewisch und Dr. Anna Vasilyeva von der Sibirischen Föderalen Universität Krasnojarsk sprachen über die Juristenausbildung in Russland. Sie kritisierten vor allem, dass schriftliche Prüfungen nicht stattfänden und es den Bewertungen daher an Objektivität fehle. Positiv bewerteten sie die Einführung einer legal clinic an ihrer Universität. Die Teilnahme an der dadurch gewährten kostenlosen juristischen Beratung für die Bevölkerung ist für die Studierenden verpflichtend.
Podiumsdiskussion
Die abschließende Podiumsdiskussion wurde moderiert von Prof. Dr. Christian von Coelln, Universität zu Köln. Teilnehmer waren Prof. Dr. Henning Radtke, Universität Hannover, Vorsitzender des Deutschen Juristen-Fakultätentages, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Universität Heidelberg, Prof. Dr. Bodo Pieroth, Universität Münster, und Prof. Dr. Kay Windthorst, Universität Bayreuth.
Diskutiert wurde zunächst über den Reformbedarf der universitären Ausbildung. Alle Diskussionsteilnehmer sorgten sich um die hohe Misserfolgsquote in der Staatsprüfung. Erwogen wurden eine strengere Auslese bei der Zwischenprüfung und die Einführung verpflichtender Semesterabschlussklausuren. Aus dem Publikum wies Ministerialdirigent a.D. Dr. h.c. Heino Schöbel darauf hin, dass die Quote der endgültig an der Staatsprüfung scheiternden Teilnehmer bundesweit nur bei 15 % liege. Die Kritik von Prof. Dr. Martin Löhnig an der großen Vorlesung wurde von den Diskussionsteilnehmern überwiegend nicht geteilt. Im Zusammenhang mit der Einführung von Lehrprofessuren wurde kontrovers diskutiert, in welchem Ausmaß hierdurch die Einheit von Forschung und Lehre bedroht und wie relevant eigene Forschung für gute Lehre ist. Der hohe Stellenwert guter Lehre stand dabei aber außer Streit.
Juristische Staatsexamina und Repetitoren im literarischen Zeugnis
Im Rahmen des abendlichen Begleitprogramms hielt Prof. Dr. Bodo Pieroth, Universität Münster, einen Vortrag zum Thema „Juristische Staatsexamina und Repetitorien im literarischen Zeugnis“. Eine Fortsetzung der Tagung ist geplant.