Urteil
Ziffer 1 des Beschlusses der Beklagten vom 18.11.2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe:
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie ist hinsichtlich Ziffer 1 des Beschlusses der Bundesnetzagentur zulässig und begründet und hinsichtlich Ziffer 2 des genannten Beschlusses unbegründet. Im Übrigen ist sie unzulässig.
Die Klage ist zulässig, soweit sie sich gegen die Ziffern 1 und 2 des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 18.11.2016 wendet. Soweit sie sich auch gegen die unter II. 5. erteilten Hinweise richtet, ist sie jedoch unzulässig. Die Anfechtungsklage ist insoweit nicht statthaft, § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO. Es handelt sich bei den Hinweisen nicht um Verwaltungsakte im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG. Danach ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Vorliegend fehlt es an der Regelungswirkung. Eine „Regelung" ist dann anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (BVerwG, Urteil vom 20.05.1987 – 7 C 83/84 –, juris Rn. 9).
Entscheidend für die Einordnung ist dabei in erster Linie die Analyse der Gesetzeslage sowie der von der Behörde gewählten Formulierung (Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO Kommentar, Stand: 35. EL September 2018, § 42 Abs. 1 Rn. 26).
Danach ist vorliegend nicht von einer Regelungswirkung i.S.d. § 35 S. 1 VwGO auszugehen. Für die Annahme bloßer nicht regelnder Hinweise spricht zunächst die gewählte Formulierung. Die Beklagte spricht selbst nur von „Hinweisen“. Zudem wird bei den einzelnen erwähnten Ziffern der SNB 2018 der Klägerinnen durch die Wortwahl der Beklagten wie „bei Bedarf erforderliche Maßnahmen ergreifen“, „behält sich eine nachträgliche Neubewertung ausdrücklich vor“, „ sieht [...] davon ab, [...] abzulehnen“, „ggf. im Nachgang aufgreifen“, „sollte [...] angepasst werden“, „sollte eine entsprechende Klarstellung erfolgen“ deutlich, dass sie gerade noch nicht regelnd tätig werden möchte. Sie hat ersichtlich von dem Erlass einer Verfügung abgesehen. Dies wird insbesondere im Vergleich mit der Formulierung der Ziffern 1 – 3 und der dazugehörigen Begründung (Gründe 4.2. – 4.4) deutlich. Zwar findet sich die Rechtsbehelfsbelehrung nach den Hinweisen, dies ist allein jedoch nicht ausreichend für die Annahme, dass die Beklagte auch bei den Hinweisen regelnd tätig werden wollte. In dem streitgegenständlichen Beschluss befinden sich mit den Ziffer 1. – 4. des Tenors eindeutig Regelungen, auf die sich die Rechtsbehelfsbelehrung bezieht bzw. beziehen könnte. Diese Verfügungen werden unter II. 4.2. – 4.4 auch begründet. Für die Hinweise unter II. 5. findet sich gleichzeitig aber kein Pendant im Tenor des Beschlusses. Die Regelung eines Verwaltungsaktes kommt jedoch grundsätzlich im verfügenden Teil zum Ausdruck (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 143).
Der Gesamteindruck spricht daher gegen die Verwaltungsaktqualität der Hinweise. Gegen eine Regelungswirkung spricht zudem, dass das ERegG für den vorliegenden Fall eine „Ablehnung“ nach § 73 Abs. 1 Nr. 4 ERegG und nicht etwa den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes oder gar von „Hinweisen“ vorsieht (vgl. dazu auch Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh § 42 Rn. 25)
Insoweit ist es auch unerheblich, dass sich die Hinweise auf einen konkreten Einzelfall beziehen. Eine abschließende und vollständige Subsumtion wird an keiner Stelle vorgenommen. Das Vorbehalten eines nachträglichen Einschreitens hat keine Regelungswirkung, da dies bereits durch das Gesetz erlaubt ist, vgl. § 73 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 68 Abs. 2 und 3, 66 Abs. 4 Nr. 1 ERegG. Es besteht insoweit auch keine Vergleichbarkeit mit einem Widerrufsvorbehalt. Die von den Klägerinnen angesprochene Auswirkung auf ihr Vertrauen ist allenfalls eine tatsächliche, indem das Vertrauen selbst reduziert wird, aber keine rechtliche. Der Umfang des Vertrauensschutzes wird davon nicht tangiert. Im Übrigen ist der Beklagten zuzustimmen, dass darin allenfalls eine Verfahrenshandlung nach § 44a S. 1 VwGO zu sehen wäre. Die Äußerung von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit kann ebenfalls keinen Regelungscharakter begründen. In diesem Fall müsste einer Anhörung auch schon ein solcher zukommen, da die Behörde dabei regelmäßig ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Adressaten zum Ausdruck bringt. Dies ist jedoch unzweifelhaft nicht der Fall. Unabhängig davon, ob die vorgebrachten Auswirkungen auf die Rechtsgewährleistungsfunktion von SNB überhaupt geeignet sind, Regelungscharakter zu begründen, überzeugt dieses Argument nicht. Es ist klar, dass unwidersprochene SNB weiterhin zur Anwendung kommen. Eine nachträgliche Maßnahme nach § 73 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 68 Abs. 2 und 3, 66 Abs. 4 Nr. 1 ERegG ist nicht beschränkt auf solche Klauseln, hinsichtlich derer noch keine Bedenken im Rahmen des Vorabprüfungsverfahrens bestanden. Ebenso wenig ist eine Regelung darin zu sehen, dass die Beklagte sich als zum Einschreiten berechtigt ansieht. Nach Auffassung der Kammer sind die Ausführungen der Beklagten vielmehr dahingehend zu verstehen, dass sie noch nicht davon ausgeht, dass die Voraussetzung für ein regulierungsbehördliches Einschreiten bereits gegeben sind, sondern dass sie die Sachlage erst weiter beobachten möchte. Die Kammer kann in den Ausführungen der Beklagten auch keine verschleierten Handlungsgebote erkennen. Dass die Hinweise auch deswegen in das Beschlussdokument mitaufgenommen wurden, um den Hinzugezogenen zu erläutern, warum bestimmte beabsichtigte Änderungen nicht abgelehnt wurden, führt auch nicht zur Verwaltungsaktqualität der Hinweise, da es sich um ein von Amts wegen durchgeführtes Verfahren handelt, das keine förmliche Bescheidung aller Eingaben der Hinzugezogenen erfordert.
Eine Regelungswirkung folgt auch nicht aus den Besonderheiten des justizförmigen Beschlusskammerverfahrens. Im vorliegenden Fall wird gerade eine förmliche verfahrensbeendende Entscheidung mit dem streitgegenständlichen Beschluss getroffen. Eine Ablehnung erfolgt allerdings nicht im Hinblick auf alle zuvor diskutierten SNB-Klauseln. Soweit eine Klausel nicht abgelehnt wird, tritt die Rechtswirkung – nämlich das Inkrafttreten der Klausel – schon kraft Gesetz ein, § 73 Abs. 2 Nr. 2 ERegG. Auch die Vorschrift des § 77 Abs. 1 S. 3 ERegG bedeutet nicht, dass das Verfahren nicht auch formlos eingestellt werden kann. Ein bloßer Hinweis stellt keine „Entscheidung“ im Sinne der Vorschrift DAR. Eine Einstellung muss zudem nicht durch Verwaltungsakt erfolgen (vgl. el-Barudi, in: Staebe, ERegG Kommentar 2018, § 77 Rn. 6).
Die Hinweise sind auch nicht als sog. formelle Verwaltungsakte mit der Anfechtungsklage angreifbar. Um solche handelt es sich gerade nicht. Aus den bereits ausgeführten Gründen setzen diese auch dem äußeren Eindruck nach nicht den Anschein von Verwaltungsakten.
Die Klage ist hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides vom 18.11.2016 begründet. Die Ablehnung der Ziffer 2.9.8.3 Satz 2 lit c) SNB 2018 war rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Beklagte konnte diese nicht in rechtmäßiger Weise auf § 73 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 10 Abs. 1 – 3, 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 – 2, 20 Abs. 2 ERegG wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot stützen, denn die beanstandete Regelung ist nicht intransparent. Nach § 73 Abs. 1 Nr. 4 ERegG kann die Regulierungsbehörde nach Eingang einer Unterrichtung nach § 72 ERegG innerhalb von sechs Wochen die beabsichtigte Neufassung oder Änderung nach § 72 S. 1 Nr. 5 ERegG ablehnen und die Ablehnung mit Vorgaben verbinden, soweit die beabsichtigten Entscheidungen, Neufassungen, Änderungen und Festlegungen nicht den gesetzlichen Voraussetzungen genügen. Zu diesen gesetzlichen Voraussetzungen gehören die §§ 10 Abs. 1 – 3, 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 – 2, 20 Abs. 2 ERegG, in denen das Transparenzgebot als Maßstab der Zugangsbedingungen verankert ist. Nach diesen Vorschriften ist der Zugang zu Eisenbahninfrastrukturen zu angemessenen, nichtdiskriminierenden und transparenten Bedingungen zu gewährleisten. Insofern hat sich der Maßstab im Vergleich zu der noch unter dem AEG a.F. bestehenden Rechtslage geändert. Das eisenbahnrechtliche Transparenzgebot war bereits vor Einführung des ERegG als besondere Ausformung des Diskriminierungsverbotes verstanden worden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.01.2008 – 13 B 2014/07 und 13 B 2024/07 –, je juris Rn. 8).
Mit der Einführung des ERegG in Umsetzung der Richtlinie 2012/34/EU ist das Transparenzgebot nun ausdrücklich als Maßstab für die Zugangsgewährung ausgestaltet worden und steht selbstständig neben dem Diskriminierungsverbot. Dafür spricht zunächst, dass der Gesetzgeber die Anforderung der Transparenz im Gegensatz zu den Vorgängervorschriften der § 14 AEG a.F., § 3 EIBV in den §§ 10, 11, 14, 20 ERegG gleichrangig neben die der Diskriminierungsfreiheit gestellt und damit von dieser „entkoppelt“ hat. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ergibt sich aus der Gesetzesbegründung auch nicht, dass der Gesetzgeber den Prüfungsmaßstab unbedingt auf den bereits zur alten Rechtslage bestehenden begrenzen wollte. In der Gesetzesbegründung zu § 10 ERegG wird lediglich erwähnt, dass die Vorschrift die Regelungen der
§ 14 AEG und § 3 EIBV „aufgreife“. Die von der Klägerin zitierte Passage, dass „de[r] bisherige Zugang“ gewährleistet werden solle, bezieht sich nicht auf den Zugangsumfang allgemein, sondern auf § 10 Abs. 2 und 4 ERegG, die nach Aussage des Gesetzgebers „über EU-Recht hinaus“ das Zugangsrecht im Personenverkehr zu Eisenbahnanlagen und das allgemeine Zugangsrecht zu Serviceeinrichtungen normieren (BT-Drs. 18/8334, S. 178).
Zwar führt er aus:
"2.2 Zugang zur Eisenbahninfrastruktur
Grundsätzlich werden die bereits geltenden Zugangsregelungen beibehalten. Die Richtlinie enthält darüber hinaus detaillierte Vorgaben bzgl. der Gestaltung der SchienennetzNutzungsbedingungen, insbesondere zu den Vorgaben bezüglich der Pflicht-, Neben-, und Zusatzleistungen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Die Regelungen der Richtlinie werden dem Grundsatz folgend 1:1 übernommen, was inhaltlich zu einzelnen Erweiterungen führt.“, BT-Drs. 18/8334, S. 80.
Auch wenn einige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der deutsche Gesetzgeber keine Erweiterung des bisherigen Zugangsrechts vor Augen hatte, ging es ihm ausweislich der Begründung aber nicht in erster Linie um die Gewährleistung des status quo, sondern um die 1:1-Umsetzung der Richtlinie 2012/34/EU, denn er führt aus:
„Die Richtlinie wird grundsätzlich 1:1 umgesetzt. Bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht werden Systematik und Wortlaut der Richtlinie weitgehend beibehalten. Alle nationalen Vorschriften, die dieselbe Regelungsmaterie betreffen, werden aufgehoben. Grundsätzlich nur dort, wo die Richtlinie ohne Ergänzung nicht vollzogen werden kann oder wo nationale Besonderheiten es erfordern, werden ergänzend zusätzliche Vorschriften eingefügt.“, BT-Drs. 18/8334, S. 1,
und weiter:
„Bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht werden Systematik und soweit wie möglich der Wortlaut der Richtlinie beibehalten. D. h. die Vorschriften der Richtlinie werden grundsätzlich in der Reihenfolge der Richtlinie in das ERegG übernommen und alle nationalen Vorschriften, die dieselbe Regelungsmaterie betreffen, aufgehoben.“, BT-Drs. 18/8334, S. 80.
Auch an anderen Stellen der Gesetzesbegründung betont der Gesetzgeber die beabsichtigte „1:1-Umsetzung“, z.B. BT-Drs. 18/8334, S. 80, 82-84.
Aus der Begründung des gescheiterten Entwurfs des Gesetzes zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich kann insoweit nichts hergeleitet werden, da das Gesetz der Umsetzung der Richtlinie 91/440/EWG, 2001/14/EG dienen sollte (BT-Drs. 17/12726, S. 5).
Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Begründung zu § 73 ERegG davon ausgeht, dass dieser im Wesentlichen dem bisherigen § 14e AEG entspricht, stützt nicht den Schluss der Klägerinnen, dass es sich insoweit aufgedrängt hätte, die Erweiterung einer materiellen Prüfungsbefugnis in der Gesetzesbegründung deutlich zu machen. Beide Vorschriften bestimmen den Prüfungsmaßstab in Form der Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur bzw. in Gestalt der gesetzlichen Voraussetzungen. Was diese genau beinhalten, ist an dieser Stelle nicht relevant, sondern kommt erst in einem zweiten Schritt zum Tragen.
Allein daraus, dass der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber an vielen Stellen das Ziel eines diskriminierungsfreien Zugangs betonen, ergibt sich nicht, dass dies der einzige Prüfungsmaßstab wäre. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in der Gesetzesbegründung zu § 3 ERegG von den Klägerinnen in Bezug genommenen Satz, dass Regulierung dazu diene, die Wettbewerbssituation in den Schienenverkehrsmärkten zu überwachen und Diskriminierungen vorzubeugen. Diese Passage verweist auf Art. 56 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, der bestimmt, dass die Regulierungsbehörde insbesondere von sich aus die in Absatz 1 a) bis g) der Vorschrift genannten Punkte prüft, um der Diskriminierung von Antragstellern vorzubeugen, und insbesondere prüft, ob die SNB diskriminierende Bestimmungen enthalten oder den Infrastrukturbetreibern einen Ermessensspielraum geben, der die Diskriminierung von Antragstellern ermöglicht. Art. 56 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, der sich auf das Einschreiten der Regulierungsbehörde von Amts wegen bezieht, ist insofern im Zusammenhang mit dessen Absatz 1 zu lesen, der die Befassung der Regulierungsbehörde durch einen Antragsteller regelt, der der Auffassung ist, ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in seinen Rechten verletzt worden zu sein (vgl. insoweit auch § 66 Abs. 1 ERegG).
Auch der Verordnungsgeber ging damit davon aus, dass Zugangsberechtigte auch auf andere Weise als durch Diskriminierung in ihren Rechten verletzt sein können.
Dem Transparenzgebot kommt sowohl ein formaler als auch ein materieller Gehalt zu. Bereits zur alten Rechtslage wurde ein solcher materieller Gehalt in gewissem Umfang angenommen (ausdrücklich zwar gegen einen materiellen Gehalt, aber dennoch die Notwendigkeit einer inhaltlichen Prüfung annehmend, Gerstner in: Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 86).
Es wurde davon ausgegangen, dass aufgrund mangelnder Transparenz einer Klausel eine versteckte Diskriminierung vorliegen könne, wenn eine theoretisch für alle gleich geltende Regelung in den Nutzungsbedingungen faktisch unterschiedlich wirke, indem ihre Intransparenz das eine Unternehmen unzumutbar beim Infrastrukturzugang behindere, das andere Unternehmen aber nicht (OVG NRW, Urteil vom 16.09.2014 – 13 A 1847/13 –, juris Rnrn. 125 f. m.w.N.).
Dabei sollte nach der Rechtsprechung ein Rückgriff der Bundesnetzagentur und der Verwaltungsgerichte auf spezifisch zivilrechtliche Kontrollmaßstäbe nicht zulässig sein (BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 – 6 C 58/14 –, juris Rn. 50).
Das Gebot der Transparenz ist nicht lediglich im Sinne einer formellen Veröffentlichungspflicht zu verstehen. Selbstverständlich wird auch ganz erheblich zur Transparenz beigetragen, indem Regelungen veröffentlicht werden und damit nach außen bekannt werden (vgl. auch Erwägungsgrund 34 der Richtlinie 2012/34/EU). Ein erheblicher Teil der Transparenz wird durch Veröffentlichungspflichten hergestellt, vgl. § 19 ERegG. Das Transparenzgebot erfordert aber weiter, dass alle Regelungen, die im Zusammenhang mit den Bedingungen des Rechts auf Zugang zu Eisenbahnanlagen und Leistungen i.S.d. §§ 10 Abs. 1 – 3, 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 – 2 ERegG stehen, neben der Pflicht zur Veröffentlichung auch klar und verständlich formuliert sein müssen (für ein solches Verständnis vergleiche Gerstner, N&R 2016, 211 215; Leitzke, in: Staebe, ERegG Kommentar, 1. Aufl. 2018, § 10 Rn. 11).
Für den Zugangsberechtigten muss wegen der Vorwirkung und Informationsfunktion der Nutzungsbedingungen nachvollziehbar und bestimmbar sein, welche Rechte und Pflichten gelten und dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen dürfen keine ungerechtfertigten Auslegungsspielräume verbleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.06.2012 – 6 C 42/10 –, juris Rn. 30).
Dieses Verständnis wird zum Beispiel aus § 48 Abs. 1 S. 2 ERegG deutlich, der bestimmt, dass Anforderungen an Zugangsberechtigte angemessen, nichtdiskriminierend und transparent sein und in den SNB veröffentlicht werden müssen. Wenn Transparenz im Sinne einer Veröffentlichungspflicht zu verstehen wäre, wäre der 2. Halbsatz überflüssig. Auch der Richtlinie 2012/34/EU liegt kein solches Verständnis zugrunde. Dies ergibt sich beispielsweise aus deren Artikel 28 (umgesetzt in § 20 Abs. 2 ERegG), wonach die Eisenbahnunternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen, mit den Betreibern der genutzten Eisenbahninfrastruktur auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage die erforderlichen Vereinbarungen schließen. Die Bedingungen dieser Vereinbarungen müssen nichtdiskriminierend und transparent sein, gemäß der Richtlinie. Eine Veröffentlichung der Einzelnutzungsverträge ist jedoch gerade nicht vorgesehen. Dem von den Klägerinnen angeführten Art. 55 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU, der von „klaren und transparenten Regeln“ spricht, kann auch kein bloß formales Verständnis entnommen werden. Zwar wäre diese Formulierung nach der von der erkennenden Kammer vertretenen Auffassung tautologisch, allerdings formuliert die Vorschrift auch keinen direkten Bezug zur Veröffentlichung.
Dass es entscheidend auf die inhaltliche Nachvollziehbarkeit der Zugangsbedingungen ankommt, zeigt auch die Gesetzesbegründung zu § 9 ERegG, wonach, „um größtmögliche Transparenz für die Zugangsberechtigten zu schaffen, [...] der Betreiber der Schienenwege einen Geschäftsplan zu entwerfen [hat], der die optimale und effiziente Nutzung der Infrastruktur nachvollziehbar darstellt“ (BT-Drs. 18/8334, S. 177).
Gleiches gilt für die Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 4 ERegG, wonach, „um im Sinne der Transparenz dem Zugangsberechtigten die Nachvollziehbarkeit einer beabsichtigten Ablehnung zu ermöglichen, diese schriftlich zu begründen“ (BT-Drs. 18/8334, S. 181) ist.
Bei einer formalen Mitteilung gleich welchen Inhalts, schiede eine Nachvollziehbarkeit aber aus, auf die es dem Gesetzgeber jedoch gerade ankam. Auf die bloße Übermittlung wird gerade nicht abgestellt.
Auch wird dem Zweck des Transparenzgebotes durch ein materielles Verständnis seines Inhaltes besser Rechnung getragen. Nur wenn die SNB auch hinreichend klar und verständlich sind, ist eine wirkliche Selbstbindung des Betreibers der Infrastruktur gegeben und wird auch den Zugangsberechtigten ermöglicht, sowohl ihr eigenes Zugangsrecht als auch eine etwaige Ungleichbehandlung in Abweichung von den Regeln der veröffentlichten SNB zu bewerten.
Das dargestellte weite Verständnis des Transparenzgebotes ist zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken erst recht auch vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH geboten (vgl. EuGH, Urteil vom 09.11.2017 – C-489/15 –, juris).
Die Beschlusskammer war nicht bereits deshalb gehindert Ziffer 2.9.8.3 S. 2 c) SNB 2018 zu beanstanden, weil diese die Schadensersatzhaftung betrifft. Grundsätzlich sind alle Vorschriften der SNB zu überprüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 – 6 C 17/10 –, juris Rn. 29).
Eine Prüfung an den Maßstäben der §§ 10 Abs. 1 – 3, 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 – 2, 20 Abs. 2 ERegG kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn das Recht auf Zugang betroffen ist. Dies ist vorliegend der Fall, denn die Ausgestaltung der Haftung im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Eisenbahninfrastruktur kann potentiell die Entscheidung des Zugangsberechtigten, diese nachzufragen, beeinflussen. Dass sich Probleme im Zusammenhang mit Haftungsfragen grundsätzlich erst nach Gewährung des Zugangs stellen werden, ist im Hinblick auf diese potentielle Vorwirkung unbeachtlich.
Nach den vorgenannten Maßstäben ist die unter Ziffer 2.9.8.3 S. 2 c) SNB 2018 getroffene Regelung, die auf die Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht abstellt, aber nicht intransparent. Dabei ist vorab zu berücksichtigen, dass Regelungen wie SNB, die für eine Vielzahl von Fällen formuliert werden, notwendigerweise einen gewissen Grad an Abstraktion vorweisen müssen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.01.2008 – 13 B 2014/07 –, juris Rn. 13).
Dabei ist auch ein Bedürfnis nach der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die der Auslegung bedürfen, anzuerkennen. Insoweit wird nicht bereits deswegen eine Intransparenz begründet, weil eine in den SNB gewählte Formulierung auslegungsbedürftig ist. Die gewählte Formulierung muss jedoch anhand objektiver Maßstäbe unter Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden – notfalls durch ein Gericht – bestimmbar sein. Ohne jeden Zweifel ist die Grenze der Intransparenz jedenfalls dann überschritten, wenn der gewählte Begriff dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Möglichkeit einräumt, willkürlich darüber zu entscheiden, ob er erfüllt ist oder nicht, ohne dass die Möglichkeit der Überprüfbarkeit gegeben ist.
Der in Ziffer 2.9.8.3 S. 2 c) SNB 2018 gewählte Begriff ist klar und verständlich formuliert. Dies folgt zum einen daraus, dass der Begriff durch den folgenden Klammerzusatz „Verpflichtung, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf“ abstrakt definiert und damit weiter konkretisiert wird (vgl. zur Erforderlichkeit einer abstrakten Definition bei der Verwendung der Begriffe „Kardinalpflicht“ oder „wesentliche Vertragspflicht“ OLG Celle, Urteil vom 30.10.2008 – 11 U 78/08 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 121/04 –, juris Rn. 86).
Dass der Begriff folglich einer wertenden Betrachtung zu unterziehen ist, steht der Transparenz nicht per se entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2012 - VIII ZR 337/11 -, juris Rn. 47).
Des Weiteren spricht für die Annahme der Nachvollziehbarkeit des Begriffes, dass sich der Gesetzgeber selbst in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB einer ähnlichen Formulierung bedient, wenn er von „wesentliche[n] Rechte[n] oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben“ spricht. Er geht damit von der Prämisse aus, dass diese wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, grundsätzlich für jeden Vertrag bestimmbar sind. Hintergrund des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB und wohl auch der Haftungsbeschränkung der Klägerinnen in Form der wesentlichen Vertragspflichten in der Definition des Klammerzusatzes ist offensichtlich die Rechtsprechung des BGH zum Verbot der Aushöhlung von vertragswesentlichen Rechtspositionen des Vertragspartners und Ziffer 2.9.8.3 S. 2 c) SNB 2018 kann auch in diesem Kontext ausgelegt werden. Insoweit verfängt der Hinweis der Beklagten, dass sich die wesentlichen Vertragspflichten nicht aus dem Vertrag einschließlich der SNB selbst ergeben, nicht. Zwar hat der BGH in der von den Beteiligten zitierten Rechtsprechung zu Stromlieferverträgen (BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11 –, juris) die Verständlichkeit des Begriffs der wesentlichen Vertragspflichten in dem Urteil darauf gestützt, dass die vertraglichen Regelungen dem Kunden die hinreichende Möglichkeit eröffnen, zu beurteilen, ob eine bestimmte Leistungspflicht wesentlich für den Vertrag ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dies die einzige Interpretationsquelle darstellt. Auch § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verweist nicht auf den Vertragstext, sondern auf die „Natur“ des Vertrages. Auch wenn das Vertragsdokument selbst nicht direkt Aufschluss darüber bietet, können zur Bestimmung der wesentlichen Vertragspflichten auch andere Faktoren herangezogen werden. Dazu gehören beispielsweise die vertragstypischen Ziele und typischen Parteiinteressen im Eisenbahnverkehr. Nach Auffassung des Gerichts kann der Begriff der wesentlichen Vertragspflichten anhand der gegebenen Definition i.V.m. dem Vertrag sowie sonstigen dazugehörigen Umständen als auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten und Gepflogenheiten des Eisenbahnverkehrs und der diesen Bereich regelnden gesetzlichen Bestimmungen ausgelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Zugangsberechtigten keine unerfahrenen Vertragspartner sind, sondern dass es sich um einen sachkundigen Adressatenkreis handelt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 – 13 A 2557/09 –, juris Rn. 108; VG Köln, Beschluss vom 12.12.2007 – 18 L 1797/07 –, juris Rn. 13; Leitzke, in: Staebe, ERegG Kommentar, 1. Aufl. 2018, § 10 Rn. 11), der jedenfalls gewisse Vorstellungen von den wesentlichen Vertragspflichten i.S.d. Definition des Klammerzusatzes hat. Dass sich die rechtliche Auffassung der Zugangsberechtigten von der der Klägerinnen in einem konkreten Einzelfall unterscheiden mag, begründet eine Intransparenz nicht. Dies liegt vielmehr in der Natur der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe begründet. Der Begriff der wesentlichen Vertragspflicht enthält unter Berücksichtigung der Definition in dem Klammerzusatz einen hinreichend großen Regelungsbereich, hinsichtlich dessen bei den Vertragsparteien Einigkeit bestehen wird, dass eine bestimmte Pflicht eine wesentliche Vertragspflicht darstellt. So gehören nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten etwa die Leistungen des Mindestzugangspaktes zu den wesentlichen Vertragspflichten. Entscheidend für die Bewertung dürfte auch sein, welchen Inhalt der jeweilige Einzelnutzungsvertrag, in den die SNB einbezogen sind, genau hat. Zwar ist eine abschließende Auflistung der als wesentlich angesehenen Pflichten klarer und verständlicher als eine bloß abstrakte Definition. Dies birgt jedoch die Gefahr, der Vielzahl von Vertragssituationen, die von den SNB erfasst sein sollen, nicht vollständig gerecht zu werden.
Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht, dass es derzeit noch keine eindeutige Definition wesentlicher Vertragspflichten im Eisenbahnbereich gibt. Es ist vielmehr zu erwarten, dass dieser Begriff durch die Rechtsprechung der Zivilgerichte konkretisiert werden wird.
Ob die pünktliche Zurverfügungstellung von Eisenbahninfrastruktur eine wesentliche Vertragspflicht im Sinne der genannten Klausel ist, ist für die Beurteilung der Transparenz der Klausel selbst nicht relevant und bedarf somit auch keiner Entscheidung durch das erkennende Gericht. Das Abwarten der obergerichtlichen Klärung, ob eine Pflicht als wesentliche Vertragspflicht i.S.d. SNB 2018 anzusehen ist, ist den Zugangsberechtigten auch zumutbar.
Die Klage ist hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheides vom 18.11.2016 unbegründet. Die Ablehnung war rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Beklagte hat die Ablehnung der Ziffer 2.9.8.4 Abs. 1 SNB 2018 zu Recht auf § 73 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 10 Abs. 1 – 3, 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 – 2, 20 Abs. 2 ERegG wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Angemessenheit gestützt. Ebenso wie das Transparenzgebot gehört das Gebot der Angemessenheit zu dem Maßstab der Zugangsbedingungen nach den o.g. Vorschriften und ist auch durch die Regulierungsbehörde im Rahmen der Vorabprüfung nach § 73 Abs. 1 Nr. 4 ERegG zu prüfen. Zugangsbedingungen in SNB sind nicht angemessen, wenn sie die Zugangsberechtigten unter Berücksichtigung der Ziele des § 3 ERegG unangemessen benachteiligen, sodass sie in der Ausübung ihres Zugangsrechtes behindert werden. An den Regulierungszielen des § 3 ERegG ist „die gesamte Regulierung auszurichten“ (BT-Drs. 18/8334, S. 174).
Die Beklagte geht daher zu Recht davon aus, dass das Gebot der Angemessenheit erfordert, dass die Leistungen zu Bedingungen angeboten werden, die eine möglichst gute Erfüllung der Regulierungsziele gewährleisten. Die jeweilige Klausel ist deshalb auf ihre Auswirkungen im Hinblick auf das Erreichen dieser Ziele zu beurteilen. Dies bedeutet insbesondere die Gewährleistung eines möglichst leichten Zugangs der Zugangsberechtigten zur Infrastruktur und zu den Leistungen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite bedeutet es aber, dass die Zugangsberechtigten nicht bessere Bedingungen als in einem wettbewerblichen Umfeld beanspruchen können. Einerseits sind die legitimen Geschäftsinteressen der Betreiber der Infrastruktur zu berücksichtigen. Andererseits ist ein Missbrauch des strukturellen Ungleichgewichts zu vermeiden.
Bei der Klärung des Begriffs der Angemessenheit können auch die unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie 2012/34/EU herangezogen werden. Nach Art. 10 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU erhalten Eisenbahnunternehmen für alle Arten von Schienengüterverkehrsdiensten zu angemessenen, nichtdiskriminierenden und transparenten Bedingungen das Recht auf Zugang zur Eisenbahninfrastruktur in allen Mitgliedstaaten. Die englische Sprachfassung der Vorschrift spricht von „equitable, non-discriminatory and transparent conditions“. „Equitable“ wird im Deutschen mit „fair“ oder „gerecht“ übersetzt. Auch die französische Sprachfassung verwendet den Begriff „équitable“, der mit „gerecht“ zu übersetzen ist (vgl. für beides Pons, Online-Wörterbuch, abrufbar unter de.pons.com (zuletzt abgerufen am 02.03.2019)).
Eine angemessene SNB-Klausel ist damit in Anbetracht der Vertragsgestaltungsfreiheit des Betreibers der Infrastruktur dann gegeben, wenn sie sich vor dem Hintergrund der Regulierungsziele und einer möglichst guten Gewährleistung des Zugangsrechts als gerecht und billig erweist. Bei der Frage, ob ein Verstoß gegen das Gebot der Angemessenheit vorliegt, ist zu klären, ob eine Klausel eine Vertragspartei unbillig benachteiligt.
Kam es unter der Geltung des AEG a.F., bei dem die Zugangsbedingungen am Diskriminierungsverbot zu messen waren, auf die hinreichend konkrete Möglichkeit relevanter Ungleichbehandlungen an (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 – 13 A 2557/09 –, juris Rn. 102) und gab es darüber hinaus keine allgemeine Pflicht, angemessene Nutzungsbedingungen aufzustellen (BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 – 6 C 58/14 –, juris Rnrn. 49 f.), hat mit dem ERegG eine weitere Ebene regulierungsrechtliche Relevanz erlangt (a.A., da in der Sache von einer Übernahme der bisherigen Vorschriften bzw. keiner Rechtserweiterung ausgehend, Staebe, DVBl. 2016, 1564, 1568; Gerpott, N&R 2016, 277, 279; Ludwigs, NVwZ 2016, 1665, 1666; Gerstner N&R 2016, 211, 215, der davon ausgeht, dass die Angemessenheit nur den Maßstab der Diskriminierungsfreiheit „im Sinne der Verhältnismäßigkeit“ näher umschreibe).
Durch das gesetzlich verankerte Gebot der Angemessenheit sind die Zugangsbedingungen nun auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen den Betreibern der Infrastruktur und den Zugangsberechtigen ohne Bezug zu einem weiteren, dritten Zugangsberechtigten zu bewerten (nach Serong, N&R 2009, 108, 111 f. waren bestimmte Aspekte der Angemessenheit bereits unter der alten Rechtslage relevant; vgl. zudem Erwägungsgrund 83 der Richtlinie 2012/34/EU, der von gerechten und nichtdiskriminierenden Bedingungen für den Zugang zur Infrastruktur spricht).
Bei der Bewertung, ob der Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu angemessenen Bedingungen gewährt wird, können auch die Wertungen der §§ 307 ff. BGB herangezogen werden. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Regulierungsbehörde oder die Verwaltungsgerichte selbst die Nutzungsbedingungen im Hinblick auf einen Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB vollständig durchprüfen müssen. Deren Rechtsgedanken müssen jedoch, soweit sie auf das Eisenbahnrecht übertragbar sind, herangezogen werden. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 09.11.2017 – C-489/15 –, juris).
Die vom EuGH insoweit angeführten institutionellen und materiellen Argumente sind auch auf andere Fälle übertragbar, in denen es in zivilrechtlichen Streitigkeiten zur Nichtanwendung vertraglicher Klauseln kommen kann. Die von der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur alten Rechtslage vertretene Beschränkung der Regulierungsbehörde bei der Prüfung von Nutzungsbedingungen anhand von zivilrechtlichen Maßstäben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 – 6 C 58/14 –, juris Rnrn. 49 f.; BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 – 6 C 17/10 –, juris Rn. 29),
kann unter der Geltung des ERegG und erst recht unter Beachtung der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH nicht weiter aufrechterhalten werden. Dies gilt jedenfalls, soweit das Zivilrecht die Unwirksamkeit einer Regelung als Rechtsfolge eines Verstoßes vorsieht. Dieser Gedanke wird zudem von § 33 Abs. 2 S. 3 und § 45 Abs. 2 S. 3 ERegG bestätigt, die bestimmen, dass das genehmigte Entgelt, das u.a. nach § 32 Abs. 2 S. 1 ERegG angemessen sein muss, als billiges Entgelt im Sinne des § 315 BGB gilt. Die Regulierungsbehörde bleibt dabei jedoch auf die Prüfung der Klauseln beschränkt, die mögliche Auswirkungen auf das Zugangsrecht haben und muss eisenbahnspezifische Besonderheiten beachten. Nutzungsbedingungen sind damit als angemessen anzusehen, wenn sie geeignet sind, die Regulierungsziele zu erreichen und namentlich das Zugangsrecht möglichst gut zu gewährleisten, wenn sie eine Vertragspartei nicht unbillig benachteiligen und dabei insbesondere nicht den grundlegenden Wertungen der §§ 307 ff. BGB widersprechen.
Nach diesen Maßstäben erweist sich Ziffer 2.9.8.4 Abs. 1 SNB 2018 als nicht angemessen. Mit dieser Klausel möchten die Klägerinnen die nach § 1 HaftPflG bestehende Gefährdungshaftung als Verschuldenshaftung ausgestalten. Auch die Klägerinnen als Infrastrukturunternehmen sind nach herrschender Auffassung als Betriebsunternehmer im Sinne von § 1 HaftPflG anzusehen (vgl. Filthaut, HaftPflG, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn. 55; BGH, Urt. v. 16.10.2007 – VI ZR 173/06 –, Rn. 10 m.w.N.).
Zwar ist die Klausel nicht bereits deswegen unangemessen, weil damit von der Regelhaftung nach § 1 HaftPlfG abgewichen wird. Denn die Regelung widerspricht nicht dem Grundgedanken des HaftPflG. Nach § 7 S. 1 HaftPflG darf die Ersatzpflicht nach den §§ 1 bis 3 HaftPflG, soweit es sich um Personenschäden handelt, im Voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Daraus folgt, dass eine Haftung für Sachschäden im Umkehrschluss grundsätzlich ausgeschlossen werden darf. Es kann vorliegend dahinstehen, ob sich aus § 7 S. 2 HaftPflG etwas anderes ergeben könnte, denn die streitgegenständliche Klausel betrifft ausdrücklich nur die Haftung nach § 1 HaftPflG, auf die sich § 7 S. 2 HaftPflG nicht bezieht. Insoweit hat der Gesetzgeber ausweislich der Vorschrift des § 7 HaftPflG aber offensichtlich differenziert und den Ausschluss der Haftung von Sachschäden zugelassen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass ein offensichtlich von dem HaftPflG in differenzierter Weise zugelassener Haftungsausschluss dem Grundgedanken des § 1 HaftPflG widerspricht. Die konkrete Haftungsbeschränkung ist jedoch jedenfalls deshalb unbillig, weil sie nicht wechselseitig ausgestaltet wurde (für die potentielle Unangemessenheit eines einseitigen Haftungsausschlusses vgl. Serong, N&R 2009, 108, 111).
Die Klägerinnen möchten damit nur ihre eigene Gefährdungshaftung ausschließen, die Gefährdungshaftung der Zugangsberechtigten soll aber weiter bestehen bleiben. Zwar soll diese Haftungsbeschränkung nach Ziffer 2.9.8.4 Abs. 3 SNB 2018 nicht für den Gesamtschuldnerausgleich und damit nicht für Schäden Dritter zur Anwendung kommen. Sie kann jedoch bei fehlender Möglichkeit eines Verschuldensnachweises dazu führen, dass bei einem Unfall, bei dem sowohl Schäden an der Infrastruktur der Klägerinnen als auch an den Fahrzeugen des Eisenbahnverkehrsunternehmens entstehen, die Klägerinnen ihre eigenen Schäden von den Eisenbahnverkehrsunternehmen ersetzt bekommen und gleichzeitig nicht für die Schäden des Eisenbahnverkehrsunternehmens aufkommen müssen. Gerade bei komplexen technischen Abläufen, die zu einem großen Teil interne Vorgänge der jeweiligen Beteiligten betreffen, kann eine Beschränkung auf Verschuldenshaftung einer Haftungsfreizeichnung gleichkommen. Dies kann dazu führen, dass das Risiko einer Nutzung für die Zugangsberechtigten nur sehr schwer kalkulierbar ist und sie damit von der Wahrnehmung ihres Zugangsrechtes abgehalten werden.
Die Beanstandung der Klausel 2.9.8.4 Abs. 1 SNB 2018 durch die Beklagte führt dazu, dass so gleichzeitig dem Regulierungsziel des § 3 Nr. 5 ERegG der Gewährleistung eines sicheren Betriebes der Eisenbahninfrastruktur eher Rechnung getragen wird, da der Anreiz den eigenen Risikobereich ordnungsgemäß zu kontrollieren, gesteigert wird. Die Klägerinnen verfügen jedenfalls über eine gewisse Möglichkeit zur Risikobeherrschung ihrer Infrastruktur, auch wenn diese grundsätzlich öffentlich zugänglich und damit vor dem Zugriff Dritter oder vor Naturereignissen nicht geschützt ist (vgl. zur Relevanz der Möglichkeit der Risikobeherrschung für die Angemessenheit einer Haftungsbeschränkung BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11 –, juris Rn. 49).
Die von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente sind auch nicht geeignet, die Unbilligkeit dieser Haftungsgestaltung zu beseitigen. Die von ihnen vorgebrachte Asymmetrie besteht nicht. Vielmehr wird die aufgrund des Monopols der Klägerinnen bestehende Asymmetrie durch den Kontrahierungszwang ausgeglichen. Auch das Argument, dass die Klägerinnen nicht wüssten, was die Eisenbahnverkehrsunternehmen transportierten und dass sie Regressforderung zu befürchten hätten, überzeugt nicht, weil die Haftung insoweit auch nach der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerinnen bereits nach § 1 Abs. 3 HaftPflG beschränkt ist. Die streitgegenständliche Klausel würde daher hauptsächlich bei unmittelbaren Schäden an den Transportmitteln der Eisenbahnverkehrsunternehmen greifen. Des Weiteren ist die Haftung zusätzlich bei höherer Gewalt nach § 1 Abs. 2 HaftPflG ausgeschlossen, auch wenn diese Vorschrift insgesamt eng ausgelegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2007 – VI ZR 173/06 –, juris Rn. 14 m.w.N.).
Ferner ist die Haftung insgesamt nach § 10 HaftPflG auf 300.000 Euro beschränkt. Wegen Ziffer 2.9.8.2. SNB 2018, die unbeanstandet geblieben ist, wird zusätzlich die Haftung für Schäden von weniger als 10.000 Euro bei einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Das Argument, dass die Versicherungsprämien bei einem fehlenden Haftungsausschluss als Leistung des Mindestzugangspaketes auf alle Zugangsberechtigten umgelegt würden und letztere die Risiken damit auch selbst versichern könnten, kann die Angemessenheit der Klausel ebenfalls nicht begründen, da es auf die Versicherbarkeit des Schadensrisikos grundsätzlich nicht ankommen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11 –, juris Rn. 52; LG Berlin, Urteil vom 22.02.2017 – 100 O 80/15 –, juris Rn. 19).
Dass die Zugangsberechtigen hinsichtlich des Transportgutes den Umfang des zu versichernden Interesses besser beurteilen können, ist irrelevant, da die Klägerinnen grundsätzlich nicht für das Transportgut haften (§ 1 Abs. 3 HaftPflG).
Die Ablehnung der Ziffer 2.9.8.4 Abs. 1 SNB 2018 ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Sie ist insbesondere auch verhältnismäßig. Die Ablehnung der unangemessenen Klausel ist geeignet, das Ziel der Gewährleistung eines Zugangsrechts zu angemessenen Bedingungen zu erreichen. Dass Ziffer 2.9.8.3 S. 1 SNB 2018 bestimmt, dass die Klägerin zu 1. sowie der Zugangsberechtigte oder das einbezogene Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Schadensersatz – gleich aus welchem Rechtsgrund – bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften, steht dem nicht entgegen, da die Vorschrift auch nach der Auffassung der Beteiligten lediglich den Verschuldensmaßstab bei Verschuldenshaftung näher bestimmt. Hierzu haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Protokollerklärungen abgegeben. Die Ablehnung ist auch erforderlich. Insbesondere scheidet die Anordnung einer reziproken Ausgestaltung der Haftungsbeschränkung als milderes Mittel aus. Diese ist kein Weniger zu der von den Klägerinnen gewünschten Haftungsbeschränkung, sondern ein Aliud. Es ist jedenfalls denkbar, dass die Klägerinnen den Ausschluss der Gefährdungshaftung auch bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen belastender fänden als die völlige Streichung der Klausel. Die Ablehnung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne, denn die Beklagte hat die Interessen der Klägerinnen in nicht zu beanstandender Weise bei ihrer Abwägung berücksichtigt. Dass sie dabei keine besonders schutzwürdigen Interessen der Klägerinnen erkennt, heißt nicht, dass sie nur diese ausreichen lassen würde. Auch eine Orientierung der Beklagten an den Regulierungszielen des § 3 ERegG ist nicht zu beanstanden. Dass ein Zusammenhang zwischen der Haftungsgestaltung und dem Ziel des § 3 Nr. 1 ERegG von der Beklagten nicht belegt wird, ist unschädlich, da er jedenfalls möglich erscheint.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Klägerinnen und die Beklagte tragen die Kosten je zur Hälfte. Die angegriffenen Hinweise der Beklagten finden dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO nach wegen Geringfügigkeit keinen Niederschlag in der Kostenentscheidung. Die Berufung war nach § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 105.000,- € festgesetzt.
Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für die Klägerinnen ist es angemessen, den Streitwert auf den festgesetzten Betrag zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Das Gericht hat dabei für jede angegriffene Klausel der SNB einen Streitwert von 50.000 € angesetzt und den Streitwert für die ebenfalls angegriffenen Hinweise mit dem Auffangstreitwert bemessen, § 52 Abs. 2 GKG.
Gericht | VG Köln |
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Typ | Urteil |
Datum | 22.02.2019 |
Normen | § 3 Nr. 5 ERegG, § 73 Abs. 1 Nr. 4 ERegG, § 77 Abs. 1 S. 3 ERegG, § 1 Abs. 1 HaftPflG, § 7 S. 2 HaftPflG, § 307 BGB, § 305c BGB, § 14 Abs. 1 AEG, § 14e Abs. 1 Nr. 4 AEG |
Stichworte | Schienennetz-Benutzungsbedingungen, Angemessenheitsprüfung, Diskriminierungsverbot, berechtigtes Interesse, Eisenbahninfrastruktur, Haftung, Haftungsbeschränkung, Haftungsverteilung, Verschulden, Versicherungspflicht, Transparenzgebot, Verwaltungsakt |
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