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VG Köln, Urteil vom 12.04.2013

Az.: 18 K 5523/11

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Urteil

[...]

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger war bis Anfang 2011 als Eisenbahnbetriebsleiter bei der N. GmBH tätig. In dieser Zeit hatte die N. GmBH mit Mietvertrag von November 2008 Güterwagen des niederländischen Fahrzeughalters Railpro angemietet.

Am 06. Juni 2010 entgleiste ein mit Kies beladener Güterzug der N. GmBH. Von den 49 Waggons entgleisten sechs Wagen. Wenig später fuhr ein Regionalexpresszug in die Unfallstelle und entgleiste ebenfalls. Dabei wurden 16 Menschen verletzt. Die stark befahrene Bahnstrecke konnte mehrere Tage lang nicht befahren werden. Es entstand ein Sachschaden in Millionenhöhe. Nach den Feststellungen der Eisenbahn-Untersuchungsstelle des Bundes (EUB) war ein loser Radreifen an einem der 49 Waggons unfallursächlich. Die Bundespolizeiinspektion Hannover wies mit Schreiben vom 19.07.2010 darauf hin, das bei einer Inaugenscheinnahme des verunglückten Zuges am 15.07.2010 aufgefallen sei, dass an 18 von 20 Wagen die Radbandkennzeichnung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Eine daraufhin eingeleitete Überprüfung der Güterwagen durch das Eisenbahn-Bundesamt (im Folgenden: EBA) ergab, dass diese nicht in einem betriebssicheren Zustand waren. Die Güterwagen wiesen insbesondere folgende Mängel auf: keine bzw. nicht ordnungsgemäße Radreifenmarkierung zur Erkennung von losen Radreifen, ein unzulässiges Radsatzlagerquerspiel, einen verbogenen Radsatzhalter, ein undichtes Radsatzlager mit Ölaustritt und ohne Thermoanstrich, Korrosion der Radsatzwellen, mehrere Monoblockräder mit Längsrissen in den Laufflächen, zu große und nicht lesbare Pfeilhöhentoleranz der Federung am Radsatz, Löcher und Risse im Tragwerk, lose Schalenmuffen der durchgehenden Zugeinrichtung, unzulässige Schweißungen an Pufferschrauben, mangelhaft gewartete Bremsgestänge aufgrund fehlender Schmierung und unzulässigen Spiels, korrodierte Druckluftbehälter und Ladegutreste auf Trittflächen und im Tragwerk. Alle Güterwagen gehörten dem niederländischen Fahrzeughalter Railpro, mit dem die N. GmBH den langfristigen Mietvertrag zur Nutzung der Güterwagen geschlossen hatte.

Am 28.07.2010 legte das EBA der N. GmBH die Ergebnisse der Untersuchungen DAR und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Unternehmen wurde u.a. um Auskunft gebeten, wie der Fahrzeugzustand zu erklären sei, da alle Fahrzeuge erst am 10.05.2010 einer 12-Monats-Inspektion unterzogen worden seien. Am 16.08.2010 fand eine gemeinsame Erörterung statt.

Mit Bescheid vom 28.09.2010 widerrief das EBA die mit Bescheid vom 28.09.2006 erfolgte Bestätigung der Bestellung des Klägers zum Eisenbahnbetriebsleiter für das öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen (im Folgenden: EVU) N. GmBH. Zur Begründung führte das EBA im Wesentlichen aus: Man habe festgestellt, dass bei der N. GmBH keine ordnungsgemäßen Vorkehrungen getroffen worden seien, die die Zusammenarbeit mit dem Halter der Fahrzeuge und der mit den Instandhaltungsarbeiten beauftragten Werkstatt regelten. Das Unternehmen habe weder die organisatorischen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Instandhaltung noch für eine wagentechnische Prüfung der Güterwagen des verunfallten Zuges geschaffen. In Folge dieser Pflichtversäumnisse seien die Güterwagen des verunfallten Zuges seit geraumer Zeit nicht mehr vorschriftsgemäß instandgehalten und wagentechnisch untersucht worden. Überdies habe das hiermit beauftragte Personal nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. Die Organisation und Überwachung all dieser Aufgaben sei im Wesentlichen die Aufgabe des Klägers und dessen Stellvertreters gewesen. Im Zuge der Anhörungen hätten beide nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich ihrer Pflichten als Betriebsleiter bewusst gewesen seien, da sie sich als Opfer eines mangelhaft vorgehenden Fahrzeughalters und einer unsachgemäß arbeitenden Werkstatt gesehen hätten. Der Widerruf der Bestätigung der Bestellung zum Eisenbahnbetriebsleiter erfolge gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, da sich der Kläger und dessen Stellvertreter im Nachhinein als unzuverlässig erwiesen hätten. Die N. GmBH sei als EVU gemäß § 4 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (nachfolgend: AEG) für den Zustand der verunfallten Fahrzeuge verantwortlich. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die N. GmBH nicht selbst Halterin der Fahrzeuge sei. Denn bei einem Einsatz der Fahrzeuge im Zugverband sei es Pflicht des EVU, den Betrieb sicher zu führen und die Fahrzeuge in betriebssicherem Zustand zu halten. Innerhalb des EVU obliege die Sorge für die Erfüllung dieser Sicherheitspflicht dem Eisenbahnbetriebsleiter und dessen Stellvertreter. Beide seien ihren Pflichten nach § 4 der Eisenbahnbetriebsleiterverordnung (im Folgenden: EBV) nicht nachgekommen. Insbesondere seien sie ihren Pflichten nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EBV nicht hinreichend nachgekommen, hätten nicht die ordnungsgemäße Untersuchung der Fahrzeuge gemäß § 32 Eisenbahn-Bau-und Betriebsordnung (nachfolgend: EBO) überwacht und für die ordnungsgemäße Ausbildung, Prüfung und Anweisung ihrer Betriebsbeamten gemäß §§ 47 und 54 EBO nicht hinreichend Sorge getragen. Ohne den Widerruf sei auch eine Gefährdung des öffentlichen Interesses in Form der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu befürchten. Die Gefahr, die von einem unzuverlässigen Eisenbahnbetriebsleiter ausgehe, habe sich in dem eingangs geschilderten Unfall auch bereits realisiert. Der Widerruf sei überdies verhältnismäßig. Dem Eingriff in die Berufsfreiheit des Eisenbahnbetriebsleiters stünden höherrangige Rechtsgüter Dritter gegenüber, nämlich Leben, Gesundheit und Eigentum.

Gegen den Widerruf legte die N. GmBH mit Schreiben vom 30.09.2010 Widerspruch ein. Auf den Antrag vom 07.01.2011 zog das EBA den Kläger gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (nachfolgend: VwVfG) zu dem Widerspruchsverfahren hinzu. Mit Schreiben vom 07.03.2011 nahm der Kläger zu dem Widerruf inhaltlich Stellung. Nachdem die N. GmBH die damalige Eisenbahnbetriebsleitung, also auch den Kläger, abberufen hatte, nahm sie mit Schreiben vom 09.09.2011 den Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid zurück. Mit Bescheid vom 22.09.2011 stellte das EBA das Widerspruchsverfahren ein. Mit Schreiben vom selben Tage teilte das EBA dem Kläger mit, dass das Widerspruchsverfahren der N. durch Rücknahme des Widerspruchs beendet worden sei, und übermittelte ihm zugleich eine Kopie des Einstellungsbescheides vom 22.09.2011.

Am 06.10.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Mit Schreiben vom selben Tage erhob der Kläger Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid vom 28.09.2010.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Die Klage sei zulässig. Der Kläger werde durch den Widerrufsbescheid und den Einstellungsbescheid in seiner Berufsfreiheit verletzt, weil damit seine Unzuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 EBV festgestellt werde. Faktisch werde damit ein Berufsverbot für den Kläger als Eisenbahnbetriebsleiter ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund sei auch keine Erledigung der Hauptsache durch die Rücknahme des Widerspruchs seitens der N. GmBH eingetreten. Eine Verwirkung des Klagerechts sei nicht erfolgt, weil der Kläger erst etwa Mitte Oktober 2010 Kenntnis von dem Widerruf erlangt habe. Eine Kopie des Bescheides habe der Kläger sogar erst später erhalten. Da er selbst nicht Adressat des Bescheides gewesen sei, habe er sich zunächst darauf beschränkt, im Januar 2011 seine Hinzuziehung im Verwaltungsverfahren zu erreichen. Nachdem dem Kläger bekannt geworden sei, dass die N. GmBH das Widerspruchsverfahren nicht weiterführe, habe er unverzüglich Widerspruch erhoben und Klage eingereicht.

Der Widerruf sei auch rechtswidrig. Dass die Lokführer der N. GmBH ordnungsgemäß geschult und überwacht worden seien und auch vor Abfahrt des verunfallten Zuges ordnungsgemäß gehandelt hätten, folge schon daraus, dass vor der Abfahrt ein Wagen wegen festgestellter Mängel ausgesetzt worden sei. Auch bei einer Jahreskontrolle der Fahrzeuge werde primär davon ausgegangen, dass beim letzten Werkstattaufenthalt alle Mängel behoben worden seien und die Wagen die Werkstatt ohne Beanstandungen verlassen hätten. Offenbar durch gezieltes Handeln sowohl der Werkstatt als auch des Vermieters Railpro sei dies jedoch regelmäßig nicht der Fall gewesen. Das werde von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid überhaupt nicht berücksichtigt. Die Beklagte verkenne grundsätzliche Strukturprinzipien der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung zwischen Halter und Werkstatt, wie sie sich beispielhaft in den Praktikerempfehlungen etwa im Eisenbahningenieurkalender 2010 fänden.

Die Railpro sei für die Hauptrevision (HU) alle 6 Jahre zuständig, die N. GmBH im Auftrag von Railpro für die Inspektion im einjährigen Rhythmus nach der von Railpro vorgegebenen Checkliste. Im Rahmen des Mietvertrages seien alle Wagen zumindest einmal in einer zertifizierten Werkstatt gewesen. Das Problem für einen Mieter von Güterwagen bestehe darin, dass regelmäßig die Mietzeit nur einen Bruchteil des Zeitraums zwischen zwei Hauptuntersuchungen umfasse und deswegen von ihm nicht ein Instandhaltungsregime, wie es etwa die DIN 27200 vorsehe, etabliert und beachtet werden könne. Die N. GmBH habe sich auf der Grundlage des Mietvertrages an die dort vereinbarte Übertragung von Instandhaltungs- und Wartungsaufgaben gehalten und habe davon ausgehen können, dass das in den Niederlanden zugelassene Unternehmen die nach niederländischem Recht vorausgesetzten Regelungen auch beachte.

Der Stellvertreter des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter, Herr I. -Q. L. , der anerkannter Sachverständiger sei, habe die Aufsicht über die Fahrzeuge geführt. Ihm habe eine Reihe von Mitarbeitern zur Verfügung gestanden, die die Befähigung zur Beurteilung des Zustandes von Lok und Wagen besäßen. Ausbildung und Tätigkeit dieser Mitarbeiter seien vom Eisenbahnbetriebsleiter stichprobenhaft kontrolliert worden. Der Kläger überreicht Prüfungspläne und -bescheinigungen, die sich auf den Lokführer des verunfallten Zuges, Herrn E. X. , beziehen. Ebenso legt er Überwachungsprotokolle und Teilnahmebescheinigungen zum Dienst und Fortbildungsunterricht in Bezug auf die Wagenuntersuchung am Beispiel des Herrn X. vor. Der verunfallte Lokführer, Herr X. , sei erfahren seit 1978. Zur Auffrischung habe er im Februar 2006 erneut an einem Grundlehrgang für Wagenprüfer bei der DB teilgenommen. Ein Aufbaulehrgang für Schüttgutwagen sei im Juni 2008 erfolgt. Dienstunterrichte vor dem Unfall in Peine hätten z.B. am 17.5.2009 und 12.2.2010 stattgefunden. Das entspreche den Regelanforderungen. Die Tätigkeit der Lokführer sei darüber hinaus mehrfach im Jahr unangekündigt kontrolliert worden, und zwar während Zugfahrten und auch bei Fortbildungen.

Nach dem Unfall vom 16.06.2010 habe die N. GmBH zusammen mit dem Kläger sämtliche Railpro-Wagen sofort stillgelegt, um die Ermittlung der Unfallursache abzuwarten. Alle anderen EVU, die Wagen der Railpro im Einsatz gehabt hätten, hätten dies nicht getan, so dass der nächste Unfall in Falkenberg habe geschehen können.

Jedenfalls habe die Beklagte das ihr in § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt. Das EBA habe nicht in Erwägung gezogen, ob mildere, gleich gut geeignete Mittel zum Schutz der Allgemeinheit gegeben seien. Überdies habe es den strengen Maßstab, den es bei dem Kläger anlege, in anderen Fällen nicht angelegt.

Zu dem Untersuchungsergebnis trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

a) keine bzw. nicht ordnungsgemäße Radreifenmarkierung

Der Kläger habe nicht das Fehlen der Kontrollmarken zu verantworten. Denn er lehre im Zuge der Schulungen der Wagenprüfer und Wagenmeister die Bestimmungen des Allgemeinen Vertrags für die Verwendung von Güterwagen (nachfolgend: AVV). Demgemäß habe er davon ausgehen dürfen, dass sowohl die Wagenprüfer als auch die Wagenmeister und der Triebfahrzeugführer das Vorhandensein der Radmarkierungen prüfen bzw. diese ständig prüfen würden. Der Nachweis entsprechender Schulungen ergebe sich aus den überreichten Anlagen. Anlage 9 Anhang 2 AVV gebe Hinweise darauf, mit welchem Gewicht Fehler einzustufen seien. Fehler würden von Stufe 0 bis Stufe 5 bewertet. Fehler der Stufe 5 würden mit einem Faktor 1 beaufschlagt, Fehler der Stufe 4 mit dem Faktor 0,4 (Hauptfehler, Fehler, bei dem die Verkehrstauglichkeit nicht gewahrt ist oder die zur Betriebsgefährdung führen können, sowie Fehler, die zu Personenschäden führen können [Bedienungspersonal Güterwagen]). Während bei einem Fehler der Stufe 5 ein Wagen immer auszusetzen sei, habe der Mitarbeiter bei Stufe 4 noch einen gewissen Handlungsspielraum für den Zeitpunkt des Aussetzens, da es auf die Umstände, die Schwere und die Erkennbarkeit des Mangels ankomme. Alle vom EBA angemerkten Fehler seien maximal in die Stufe 4 einzuordnen. Das Fehlen der Kontrollmarken kennzeichne einen Fehler der Stufe 4. Nach der Richtlinie 936 der DB wäre der Wagen wegen seines Mangels allein zu „bezetteln“ gewesen.

b) Korrosion der Radsatzwellen

Der europäische Sichtprüfungskatalog (EVIC) für Güterwagenradsatzwellen sei erst im Jahr 2010 eingeführt worden, so dass zum damaligen Zeitpunkt eine vollständige Umsetzung von den EVU nicht habe sichergestellt werden können. Schulungen hätten allerdings selbstverständlich durch den Kläger bereits stattgefunden. Die nach dem EVIC notwendigen Untersuchungen von Achsen ließen sich allerdings nur dann sinnvoll durchführen, wenn die Wagen über einer Grube stünden, da andernfalls entsprechende Korrosionspunkte nicht erkennbar seien. Die letzte Inspektion der Achse durch Mitarbeiter der N. GmBH habe im Mai 2010 vor dem Unfall stattgefunden. Im Rahmen der Sicherheitsprüfung außerhalb einer Werkstatt könne selbstverständlich nur kontrolliert werden, ob augenscheinlich eine Verschlechterung seit dem letzten Werkstattaufenthalt eingetreten sei. Intensiver geprüft werde der Zustand der Räder auf Auffälligkeiten. Eine gesonderte Anweisung von Railpro als Halter zur Frage der Wellen habe nicht bestanden.

c) Löcher und Risse im Tragwerk

Die entsprechenden Sicherheitsbestimmungen seien in den regelmäßigen Schulungen durch den Kläger behandelt worden. Überdies habe man in der Praxis die Wagenmeister und Wagenprüfer auch regelmäßig und stichprobenartig auf deren Einhaltung hin kontrolliert. Ob im Einzelfall vor Antritt einer Fahrt bei der Feststellung von Rissen die Entscheidung des Wagenmeisters oder Wagenprüfers oder des Triebfahrzeugführers erfolge, den Wagen aus dem Zug zu nehmen, sei eine Entscheidung vor Ort. Selbst wenn im konkreten Fall eine fehlerhafte Entscheidung getroffen worden wäre, könnte sie jedenfalls nicht dem Eisenbahnbetriebsleiter als Zuverlässigkeitsmangel angerechnet werden. Die von dem EBA angesprochenen Mängel seien nach dem AVV in die Klasse 3 einzuordnen, da kein Riss eine Länge von mehr als 150 Millimeter gehabt habe. Eine Aussetzung der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt sei deshalb nicht notwendig gewesen.

d) lose Schalenmuffen der Zugeinrichtung

Hierbei handele es sich um die Verbindung des Zughakens mit der durch den Wagen führenden Zugstange. Diese Konstruktion stamme noch aus der Zeit vor Vorbereitung aller Wagen für die automatische Mittelpufferkupplung. Werde diese verloren, komme es zur Zugtrennung, zum Bremsschlauchabriss und damit zwangsläufig zu einer Zwangsbremsung beider Zugteile. Eine unmittelbare Gefahrensituation entstehe dadurch nicht. Eine Schulung für dieses Schadensbild sei erfolgt. Der Fehler der losen Schalenmuffen der Zugeinrichtung sei in dem AVV nicht aufgeführt. Die von der Beklagten angegebene Ziffer 5.8.1 sei nicht einschlägig, da die Fehlerklasse 4 nur bei „Muffen gebrochen, gerissen oder fehlen“ vorliege. Im Übrigen gelte, dass die entsprechende Einschätzung eine vor Ort vom Wagenmeister/ -prüfer bzw. Triebfahrzeugführer zu treffende Entscheidung sei. Sie könne nicht im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung dem Eisenbahnbetriebsleiter vorgehalten werden.

e) Wartung am Bremsgestänge

Bei einer Wagenuntersuchung müsse bei der Bremsprobe nur erkannt werden, ob die Bremsklötze anlegten und lösten und ob etwas lose sei, aber nicht das Spiel der Gelenke. Eine Firma sei am 07.05.2010 kurzfristig beauftragt worden, die noch ausstehenden Schmierungen an Gestänge und Fahrwerk sowie der Schieber durchzuführen. Die von der Aufsicht vorgenommene Prüfung sei nicht üblich. Der angenommene Schaden habe keine Auswirkung auf das Bremsverhalten. Im Übrigen hätte der Mangel in einer Werkstatt festgestellt werden müssen, bei einer Wagenuntersuchung sei dies nicht möglich. Die Fahrzeugführer würden von dem Kläger mehrmals pro Jahr überprüft und auf die Einhaltung der Wagenvorbereitungsvorschriften hin kontrolliert. Auch der Umgang mit entsprechenden Mängeln bzw. die Erkennung solcher Mängel und das Handeln nach den einschlägigen DIN-Vorschriften werde geschult und von dem Kläger überwacht. Es könne dementsprechend nur vermutet werden, welche Gründe dazu geführt hätten, dass der Wagen mitgeführt worden sei, obwohl ein Spiel zwischen Bolzen und Buchsen vorhanden gewesen sei. Dieser Mangel sei in dem AVV nicht aufgeführt. Die Einschränkung im Bremsverhalten sei dadurch kompensiert worden, dass der Zug wegen einer nicht ausreichend leistungsfähigen Lok nur mit 80 Stundenkilometern statt der zulässigen 100 Stundenkilometer eingesetzt worden sei.

f) korrodierter Druckluftbehälter

Die zitierte DIN-Vorschrift 27205-7 setze voraus, dass keine tiefere Korrosion vorliege als 1 Millimeter. Dass vorliegend tatsächlich eine tiefere Korrosion vorgelegen habe, werde nur unterstellt. Korrosion sei zwar an einem derartigen Druckluftbehälter gegebenenfalls auch durch Sichtprüfung zu erkennen, nicht aber, ob diese tiefer als 1 Millimeter sei. Die generelle Kontrolle dazu finde anlässlich der Werkstattaufenthalte statt, die hier vom Halter der Wagen nach dem Mietvertrag geschuldet gewesen und auch jeweils veranlasst worden seien. Entsprechende Überprüfungen würden selbstverständlich ebenfalls durch den Kläger geschult und die Ausführung durch die Wagenmeiser und -prüfer überwacht. Es entziehe sich der Kenntnis des Klägers, aus welchen Gründen in diesem Fall eine möglicherweise kurzfristig eingetretene tiefere Korrosion nicht habe festgestellt werden können. Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter lasse dieser Mangel nicht zu.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Widerrufsbescheid vom 28.09.2010 und den Einstellungsbescheid vom 22.09.2011 aufzuheben,

hilfsweise,

festzustellen, dass die in dem Widerrufsbescheid vom 28.09.2010 getroffene Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 2 Abs.1 EBV rechtswidrig ist,

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass die in dem Widerrufsbescheid vom 28.09.2010 getroffene Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 2 Abs. 1 EBV rechtswidrig und der Widerruf der Bestätigung des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter für die N. unverhältnismäßig und deshalb ermessensfehlerhaft ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die Klage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe sein Klagerecht gegen den Widerrufsbescheid wegen zeitlicher Verzögerung verwirkt. Überdies könne der Kläger allenfalls Fortsetzungsfeststellungsklage erheben, da die Bestätigung der Bestellung nach der Abberufung gegenstandslos geworden sei. Das erforderliche besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse liege indes nicht vor. Auch scheide eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten durch den Widerruf aus. Normadressat des Widerrufs sei das EVU, nicht der einzelne Eisenbahnbetriebsleiter. § 2 EBV vermittele weder nach dem Wortlaut noch nach der Systematik oder Historie Drittschutz. Von einem Berufsverbot durch die Beklagte könne keine Rede sein, zum einen handele es sich bei einem Eisenbahnbetriebsleiter nicht um einen Beruf, sondern um eine spezielle Aufgabe, für die eine gewisse berufliche Qualifikation vorliegen müsse, zum anderen könne der Kläger sich bei anderen EVU zum Eisenbahnbetriebsleiter bestellen lassen. Auch eine Feststellungsklage sei nicht statthaft, weil das erforderliche Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger nicht vorliege.

Im Übrigen sei der Widerruf aber auch rechtmäßig. Es sei erwiesen, dass dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Der genaue Ablauf des Unfalls sei für den Widerruf der Bestätigung von nachrangiger Bedeutung. Entscheidend sei vielmehr der Zustand der von der N. GmBH betriebenen Güterwagen, deren Prüfung durch den Unfall lediglich ausgelöst worden sei. Im Fokus stehe nicht der für den Unfall ursächliche Wagen, sondern der Zustand der sonstigen Wagen. Diese hätten in Art und Umfang gravierende Mängel aufgewiesen, die einer Zugfahrt entgegen gestanden hätten. Die betreffenden Güterwagen hätten Mängel aufgewiesen, die ausschließen ließen, dass die Wagen in den zurückliegenden Monaten einer ordnungsgemäßen wagentechnischen Untersuchung unterzogen worden seien.

Die Äußerungen des Klägers und des damaligen Eisenbahnbetriebsleiters Herrn L. in der Besprechung vom 16.08.2010 hätten eine angemessene Untersuchung, Auswertung und Mängelbeseitigung der Ursachen des schweren Eisenbahnunfalls vom 16.06.2010 vermissen lassen. Das EBA habe bereits damals dem Kläger und den anderen Vertretern der N. GmBH das irrtümliche Verständnis von den Betreiberpflichten eines EVU aufgezeigt. Man habe der N. GmBH deutlich gemacht, dass diese die fremden Fahrzeuge nicht nur in ihrer Eigenschaft als Dauermieter nach den gleichen Maßstäben habe behandeln müssen wie die eigenen Wagen. Das bloße Vertrauen darauf, dass der Halter die Fahrzeuge ausreichend und auf ihren Instandhaltungszustand oder deren Betriebssicherheit überwache, sei nicht ausreichend. Es sei unverständlich, dass viele Wagen bei der Inspektion im Mai 2010 nicht aufgefallen seien. Diese Inspektion sei durch die N. GmBH durchgeführt worden.

Auch die Einlassungen des Klägers in dem Klageverfahren zeigten gravierende Mängel im Verständnis der gesetzlichen Pflichten eines Eisenbahnbetriebsleiters. Seine Ausführungen ließen ein Verständnis der Verantwortung für eine ordnungsgemäße Instandhaltung von angemieteten Fahrzeugen Dritter weiterhin grundsätzlich vermissen. Der Kläger verkenne völlig, dass das EVU und sein Eisenbahnbetriebsleiter die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Zustand der von dem EVU betriebenen Fahrzeuge trage. Selbst wenn privatrechtlich Abreden mit dem Halter getroffen worden seien, könne das EVU die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit nicht auf den Halter schieben. Jedenfalls verbleibe eine entsprechende Kontrollpflicht beim EVU, ob der Halter vertragliche Pflichten zur Instandhaltung auch ordnungsgemäß erfüllt habe.

Unzuverlässig sei, wer nicht die Gewähr dafür biete, dass er seine Aufgaben zukünftig im Einklang mit den einschlägigen Normen erfüllen werde. So verhalte es sich auch hier. Mindestvoraussetzung sei, dass für die Tätigkeit eines Eisenbahnbetriebsleiters relevante Vorschriften beachtet würden und die Allgemeinheit beim Betrieb einer Eisenbahn vor Gefahren und Schäden bewahrt werde. Als unzuverlässig angesehen werden könne auch, wer es zulasse, dass eine unzuverlässige dritte Person entscheidenden Einfluss auf den Betrieb ausübe. Bei einer Gesamtschau der vorhandenen Mängel und insbesondere des Verhaltens des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Aufgaben eines Eisenbahnbetriebsleiters ordnungsgemäß erfüllen werde. Die sich wiederholende Betonung des Verantwortungsbereichs des Vermieters der verunfallten Wagen und das beharrliche und nachdrückliche Abwälzenwollen von Verantwortung zeige nur zu deutlich, dass der Kläger seine Stellung als Eisenbahnbetriebsleiter und die ihm zugewiesenen Aufgaben völlig verkenne. Der Kläger sehe nach wie vor nicht ein, dass sämtliche sicherheitsrelevanten Belange in seinen Aufgabenbereich fallen würden. Der Kläger habe wiederholt versucht, eigene Versäumnisse etwa im Bezug auf notwendige Vorkehrungen, die die Zusammenarbeit zwischen Vermieter und Mieter regelten, abzuwälzen. Er habe wiederholt auf den mangelhaft vorgehenden Fahrzeughalter sowie unsachgemäß arbeitende Fahrzeugwerkstätten verwiesen. Soweit der Kläger nunmehr auf Unterrichtseinheiten und organisierte Lehrgänge und auf mehrfach jährlich unangekündigte Kontrollen verweise, seien diese offensichtlich unzureichend gewesen, denn ansonsten wäre es nicht zu den festgestellten Mängeln gekommen. Bei der Schwere und Qualität der aufgetretenen Mängel könne die Aufsichtsbehörde davon ausgehen, dass die Nichtbeachtung der Sicherheit und die sicherheitsrelevanten Verfehlungen systematisch erfolgt seien.

Das gesamte Erscheinungsbild des verunfallten Zuges spreche dafür, dass systematisch Untersuchungsturnusse missachtet worden seien. Die vom Kläger ausführlich dargestellten Kontrollen und Schulungen seien, sollten sie tatsächlich stattgefunden haben, offensichtlich fruchtlos an dem zu schulenden Personal vorübergezogen. Anders lasse sich der desolate Zustand der verunfallten Wagen nicht erklären. Diese Versäumnisse, wo sie auch liegen mögen, seien dem Eisenbahnbetriebsleiter als verantwortliche Person zuzurechnen. Insofern verwundere es auch sehr, dass vorgetragen werde, dass die Wagen des Unfallzuges vor dem Unfall kontrolliert worden seien und lediglich ein Wagen wegen festgestellter Mängel ausgesetzt worden sei. Daher spreche prima facie alles dagegen, dass die zuständigen Mitarbeiter ordnungsgemäß geschult gewesen seien. Ferner spreche der eigene Vortrag des Klägers für dessen Unzuverlässigkeit, da er erst ca. 3 Wochen nach Absenden des Widerrufs Kenntnis von dem Widerruf erlangt haben wolle. Es sei festzuhalten, dass es sich um einen sicherheitsrelevanten Bescheid handele. Sicherheitsrelevante Maßnahmen, die vom EBA erlassen würden, fielen grundsätzlich in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Eisenbahnbetriebsleiters und seien von diesem unverzüglich umzusetzen. Wenn nun der Kläger aber behaupte, erst ca. 3 Wochen nach Zugang bei der Adressatin Kenntnis von einem sicherheitsrelevanten Bescheid erhalten zu haben, so spreche dies dafür, dass die Organisation des vom Eisenbahnbetriebsleiter betreuten Unternehmens ganz erhebliche strukturelle Defizite aufweise, die dem Eisenbahnbetriebsleiter zuzurechnen seien. Denn es sei seine Aufgabe, das EVU so zu organisieren, dass sicherheitsrelevante Anordnungen schnellstmöglich umgesetzt würden. Andere sicherheitsrelevante Anordnungen hätten demnach ebenfalls auch 3 Wochen im EVU liegen können, ohne dass der Kläger hiervon Kenntnis erlangt hätte und die entsprechenden Maßnahmen hätte umsetzen können. Diese strukturellen Schwächen sprächen eindeutig gegen eine Zuverlässigkeit des Klägers.

Bei der DIN 27200 handele es sich um ein einheitliches und system-kompatibles normatives Werk, das den Grenzzustand für das sichere Betreiben sowie Prozesse zur Einhaltung des Sollzustandes von Eisenbahnfahrzeugen der Regelspurweite festlege. Die Anwendung der Normen dieser DIN durch die Halter, EVU, ECM geschehe im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung für den betriebssicheren Zustand gemäß dem AEG. Die Vorgaben dieser Normen seien in Abhängigkeit von Fahrzeugbauart, Fahrzeugzustand und Einsatzparametern umzusetzen durch die Festlegung der notwendigen Instandhaltungsprozesse. Der AVV sei ein auf privatrechtlicher Basis vereinbarter Vertrag zwischen zahlreichen europäischen Haltern und EVU. Die Anlage 9 zum AVV beschreibe die technischen Bedingungen für den Austausch von Güterwagen zwischen EVU. Anhang 1 zur Anlage 9 sei ein Fehlerkatalog mit Fehlerklassen, deren Grenzkriterien in vielen Fällen denen der in der Normenreihe der DIN 27200 entsprächen. Dieser Fehlerkatalog beinhalte jedoch nicht alle in der DIN 27200 beschriebenen möglichen Mängel. Aus diesem Grunde weise Punkt 3.2.4 der Anlage 9 zum AVV darauf hin, dass die Anlage keine erschöpfende Aufstellung aller Mängel sei; bei Mängeln, die im Katalog nicht aufgeführt seien, die jedoch die Betriebssicherheit gefährden oder die Verkehrstauglichkeit beeinträchtigen könnten, entscheide der Wagenmeister, welche Maßnahmen zu treffen seien. Die N. GmBH habe die VDV-Schrift 758 „Prüfung von Güterwagen im Betrieb“ anzuwenden. Dieses Regelwerk schreibe die Anwendung des AVV Anhang 1 Anlage 9 vor. Der Eisenbahnbetriebsleiter hätte bei der pflichtgemäßen Überwachung der Mitarbeiter gemäß § 4 EBV unter Zuhilfenahme der in dem AVV genannten Fehlerklassen die mangelhafte Qualität der Wagenuntersuchungen erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen.

Die ursprünglichen Beanstandungen zu Längsrissen in Monoblockrädern und zu Puffern mit Längsspiel hält die Beklagte nicht länger aufrecht. Im Übrigen trägt sie zu dem Untersuchungsergebnis im Wesentlichen vor:

a) keine bzw. nicht ordnungsgemäße Radreifenmarkierung

Die große Anzahl der Radsätze ohne bzw. mit nicht mehr erkennbaren Radreifenmarkierungen und der Grad der Verschmutzung der Radscheiben bzw. Verwitterung der ehemals aufgebrachten Markierungen seien ein deutliches Indiz dafür, dass dieser Zustand bereits seit geraumer Zeit bestanden habe. Über diesen Zeitraum seien zahlreiche Zugfahrten durchgeführt worden, in deren Vorbereitung ebenso viele Prüfungen gemäß der VDV-Schrift 758 von verschiedenen Mitarbeitern zu absolvieren gewesen seien, ohne dass diese Mängel entsprechend gewürdigt worden seien. Bei diesem Mangel sei die erforderliche Maßnahme das Aussetzen des Wagens, vergleiche AVV Anhang 1, Anlage 9 mit dem Code 1.1.4. Nach dieser Vorschrift und dem Entwurf der DIN 27204-1, Punkt 4.1 (Technischer Sollzustand und Grenzwerte am Radsatz), Tabelle 1 (Zustand der Bauteile am Radsatz), lfd.-Nr. 1 seien die vorgefundenen Mängel unzulässig und hätten zum Aussetzen der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt führen müssen. Eine Diskussion der Frage, warum die Kontrollmarken gefehlt haben könnten, sei insofern irrelevant. Die Sicherstellung des erforderlichen Vorgehens liege im Verantwortungsbereich des Eisenbahnbetriebsleiters. Die Stellungnahme des Klägers sei nicht nachvollziehbar bzw. gehe fehl. Der von dem Kläger angeführte AVV, Anlage 11, Punkt 6.2 regele zwar die Zeichen an bereiften Rädern, nicht jedoch das Vorgehen bei mangelhaften oder fehlenden Kontrollmarken. Überdies sei die Argumentation des Klägers fachlich nicht haltbar, da der relevante Bereich der Markierung zwischen Felge und Radreifeninnenseite nicht von einer Balkenbremse erreicht werde und somit nicht abgeschabt werden könne.

b) Korrosion der Radsatzwellen

Die vorgefundenen Mängel seien unzulässig und hätten zum Aussetzen der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt führen müssen. Das folge aus den Vorgaben der EN 13261, Punkt 3.7 und 3.9, der EN 13103, Punkt 7.2, des Entwurfs der DIN 27204-1, Punkt 4.2.4.5 (Korrosionsschaden), des UIC-Merkblattes 515-3 VE, Punkt 8 sowie der TSI zum Teilsystem Fahrzeuge – Güterwagen Anhang M, Punkt M.2.6 und M.2.7. Auch dieses Vorgehen liege im Verantwortungsbereich des Eisenbahnbetriebsleiters. Die Stellungnahme des Klägers zu diesem Punkt sei nicht nachvollziehbar. Auch nach dem angeführten EVIC für Güterwagenradsatzwellen seien die Schäden unzulässig. Der EVIC sei 2010 aufgrund des Unfall in Via Reggio eingeführt worden. Damit habe man europaweit den gemäß anerkannter Regeln der Technik geforderten Oberflächenzustand der Radsatzwellen im Betrieb zumindest annähernd herbeiführen wollen. Zu dieser Thematik habe das EBA bereits am 10.07.2007 eine Allgemeinverfügung erlassen. Vorliegend schienen dem Kläger aufgrund seiner Begründungen weder die zu beachtenden anerkannten Regeln der Technik noch die erwähnte Allgemeinverfügung bekannt zu sein. Die Radsätze seien bei den bemängelten Fahrzeugen von außen sehr gut einsehbar gewesen, so dass der nicht akzeptable Zustand der Radsatzwellen im Rahmen der Prüfungen gemäß der VDV-Schrift 758 hätte erkannt werden müssen. Nach EN 13261 Punkt 3.9.1.1 fielen unbeschichtete Radsatzwellen unter die Klasse 4. Danach dürften diese Radsatzwellen zu höchstens 60 % ausgelastet werden. Diese Vorgabe sei bei den Fahrzeugen nicht berücksichtigt worden.

c) Löcher und Risse im Tragwerk

Die vorgefundenen Mängel seien unzulässig und hätten zum Aussetzen der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt führen müssen. Das folge aus den Vorgaben des AVV, Anhang 1, Anlage 9, Punkt 4.1.2 (Gesamtes Untergestell, Riss an den sichtbaren Schweißnähten dieser Bauteile) sowie der DIN 27202-1, Punkt 4.2 (Fahrzeugrahmen, Untergestell), Tabelle 1 (Fahrzeugrahmen, Untergestell), lfd.-Nr. 1 (Lang-, Quer- und Hauptquerträger, Kopfstück, Rahmenstege, keine Risse oder Behandlung der Mängel nach DIN 27201-11 [Fehlertoleranzkonzept]). Dass dieses Vorgehen sichergestellt sei, liege im Verantwortungsbereich des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter. Die Ausführungen des Klägers bewiesen auch hier seine Unkenntnis bezüglich der anzuwendenden Regelwerke. Der AVV gebe in 4.1.2 für verschiedene Bereiche unterschiedliche Grenzwerte für Risslängen vor, bei deren Überschreitung das Fahrzeug auszusetzen sei. Die vom Kläger genannten 150 mm dürften demnach nur bei einem Längsriss in einem weniger belasteten Bauteil als Grenzkriterium herangezogen werden. Für Querrisse und Risse in Schweißnähten gälten deutlich kleinere Längen. Nach der DIN 27202-1 seien keine Risse erlaubt, es sei denn, es existiere ein Fehlertoleranzkonzept nach DIN 27201-11, was hier nicht der Fall gewesen sei.

d) lose Schalenmuffen der Zugeinrichtung

Die vorgefundenen Mängel seien unzulässig und hätten zum Aussetzen der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt führen müssen. Das folge aus dem AVV, Anhang 1, Anlage 9, Punkt 5.8.1 (Andere Teile der Zugeinrichtung beschädigt) sowie der DIN 27202-2, 4.3 (Technischer Sollzustand – Zugeinrichtungen), Tabelle 1 lfd. Nr. 11 (Schalenmuffe, Schraubverbindung muss im ordnungsgemäßen Zustand sein). Die Schrauben seien vor Ort fest gewesen, aber nicht im ordnungsgemäßen Zustand. Die Schalenmuffen seien spielbehaftet gewesen, so dass sich die Zughaken hätten verdrehen können, beim 12-Monats-Check der Fahrzeuge im Mai 2010 hätte dieser Fehler an vielen Wagen auffallen müssen. Die Sicherstellung des Erkennens solcher Mängel und die korrekte Reaktion hierauf liege ebenfalls im Verantwortungsbereich des Eisenbahnbetriebsleiters. 

Durch Schalenmuffen würden einzelne Bauteile der durchgehenden Zugeinrichtung miteinander verbunden. Hierbei würden jeweils die zylindrischen Verdickungen von 2 Zugstangenenden durch 2 Halbschalen aufgrund der Bauteilbemaßung spielfrei umschlossen. Zwischen den Halbschalen müsse dabei ein Spalt bleiben, damit über die Vorspannung der Schrauben die erforderliche Klemmkraft erzeugt werden könne. Jede einzelne Schalenmuffe müsse in der Lage sein, die Gesamtzugkraft eines Zuges zu übertragen. Bei den bemängelten Fahrzeugen seien die für eine ordentliche Verklemmung der Bauteile notwendigen Maße aufgrund von Verschleiß nicht mehr gegeben gewesen, so dass kein Spalt zwischen den Schalenmuffen vorhanden gewesen sei. Die Vorspannung der Schrauben habe keinen Einfluss mehr auf die Klemmkraft der Halbschalen gehabt. Hierdurch habe die Gefahr bestanden, dass sich der Zughaken habe verdrehen und/oder schädigende ruckartige Belastungen auf die Zugstangenenden hätten aufgebracht werden können. Dieser Mangel als solcher sei nicht in der Anlage 9 Anhang 1 des AVV aufgeführt worden, es gelte aber das unter Punkt 3.2.4 der Anlage 9 Gesagte.

Aufgrund der zahlreichen Fahrzeuge mit dem oben beschriebenen Mangel müsse davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter über diese Handlungsanweisung nicht informiert gewesen seien. Eine entsprechende Unterweisung obliege jedoch dem Eisenbahnbetriebsleiter.

e) Wartung am Bremsgestänge

Die Stellungnahme des Klägers zu diesem Punkt sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Die Bauart der Wagen lasse einen guten Einblick in den größten Teil des Bremsgestänges zu, und dieses sei somit bei einer wagentechnischen Untersuchung jederzeit gut einsehbar gewesen. Das Bolzen- und Buchsenspiel im Bremsgestänge sei so groß gewesen, dass es augenscheinlich erkennbar gewesen sei. Durch die fehlende Schmierung würden die entsprechenden Bauteile deutlich stärker verschleißen. Das festgestellte Spiel von 10 mm bis zu 20 mm zwischen Bolzen und Buchsen sei deutlich zu groß und überschreite das zulässige Betriebsgrenzkriterium deutlich (siehe DIN 27205-1, Tabelle 1 lfd. Nr. 1.1, wonach maximal 4 mm in der Paarung Bolzen und Buchse bei einer Größe von mehr als 31 mm zulässig sind). Bei der vorgefundenen vollständigen Abwesenheit von Fett im gesamten Bremsgestänge und ausgeschlagenen Bolzen und Buchsen könne generell bezweifelt werden, dass die Bremsleistung der Bremse noch ausreichend gewesen sei bzw. die angeschriebenen Bremshundertstel noch erreicht worden seien. Die Druckbremse sei somit unbrauchbar gewesen, da die Wirkung der Bremse nicht mehr ausreichend sichergestellt gewesen sei. Diese Mängel seien unzulässig gewesen und hätten zum Ausschalten der Bremse der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt führen müssen. Diese Mängel als solche seien zwar nicht in der Anlage 9 zum AVV aufgeführt, es gelte aber Punkt 3.2.4 der Anlage 9. Die Sicherstellung dieses Vorgehens liege ebenfalls im Verantwortungsbereich des Eisenbahnbetriebsleiters.

Der vorgefundene Zustand des Bremsgestänges (deutlich über das Betriebsgrenzkriterium ausgeschlagene Bolzen- Buchsen-Paarung und vollständige Abwesenheit von Fett) beweise, dass bereits seit geraumer Zeit ein unzulässiger Zustand bestanden habe. Über diesen Zeitraum seien zahlreiche Zugfahrten durchgeführt worden, in deren Vorbereitung ebenso viele Prüfungen gemäß der VDV-Vorschrift 758 von verschiedenen Mitarbeitern zu absolvieren gewesen seien, ohne dass diese Mängel entsprechend gewürdigt worden seien.

f) korrodierter Druckluftbehälter

Der vorgefundene Mangel sei unzulässig. Das folge aus der DIN 72705-7, Punkt 4 (Technischer Sollzustand), Tabelle 1 (Zustand der Bauteile), lfd. Nr. 1.3 (Druckbehälter Stahl, keine tiefere Korrosion besonders im Übergangsbereich zu Spannbändern) sowie der DIN EN 286-3, Anhang H, Punkt H 4.2 (Maximale Tiefe der Korrosion 1 mm).

Der schlechte Zustand des Druckluftbehälters hätte im Rahmen der Übernahmeuntersuchung zu Mietbeginn oder im Rahmen des im Mai 2010 durchgeführten 12-Monats-Checks auffallen müssen. Der vorgefundene Zustand des Druckluftbehälters beweise, dass bereits seit geraumer Zeit ein unzulässiger Zustand bestanden habe. Über diesen Zeitraum seien zahlreiche Zugfahrten durchgeführt worden, in deren Vorbereitung ebenso viele Prüfungen gemäß der VDV-Schrift 758 von verschiedenen Mitarbeitern zu absolvieren gewesen seien, ohne dass dieser Mangel entsprechend gewürdigt worden sei. Dieser Mangel sei bei jeder wagentechnischen Untersuchung des Wagens erkennbar gewesen, da der Luftbehälter im Aufbau des Wagens gut zu erkennen sei.

Der Mangel hätte beseitigt werden müssen. Die Sicherstellung eines entsprechenden Vorgehens liege im Verantwortungsbereich des Eisenbahnbetriebsleiters. Der Mangel sei als solcher zwar nicht in der Anlage 9 zum AVV aufgeführt, es gelte aber Punkt 3.2.4 der Anlage 9. Aufgrund der tiefen Korrosionsnarben habe ein hohes Risiko für ein Bersten des Druckluftbehälters bestanden, was eine große Gefahr für in der Nähe befindliche Personen oder Sachwerte dargestellt habe.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, insbesondere auf das Sitzungsprotokoll vom 12.04.2013, und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Kammer war nicht gehindert, über die Sachanträge des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2013 zu entscheiden, obwohl sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung geweigert hat, Sachanträge zu stellen. Insoweit ist der ordnungsgemäß geladene Kläger bereits mit der Ladung darauf hingewiesen worden, dass auch in seiner Abwesenheit entschieden werden kann. Die Kammer lässt insoweit unentschieden, ob die Klage wegen des Absehens von einer Antragstellung trotz Aufforderung der Vorsitzenden wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses bereits als unzulässig hätte abgewiesen werden können.

Vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 103 Rdnr. 48.

Denn jedenfalls kann das Absehen von einer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung genauso behandelt werden wie eine Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung, zu der ordnungsgemäß und unter Belehrung über die Abwesenheitsfolgen geladen wurde.

Die Kammer war auch zur Entscheidung über die Sachanträge berufen. Denn der Befangenheitsantrag war zuvor als offensichtlich rechtsmissbräuchlich abgelehnt worden. Der Befangenheitsantrag, der allein damit begründet war, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers der begehrte Schriftsatznachlass von drei Wochen ab Zustellung des Protokolls versagt worden war, war offensichtlich rechtsmissbräuchlich und konnte deshalb von der Kammer selbst beschieden werden.

Vgl. Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 54 Rdnr. 61 ff.

Die Ablehnung des Antrages auf Schriftsatznachlass gab für einen verständigen Dritten offensichtlich keinen Anlass, an der Unbefangenheit der richterlichen Mitglieder der Kammer zu zweifeln. Der Befangenheitsantrag diente vielmehr erkennbar dem Zweck, die Vertagung, die in rechtmäßiger Weise versagt worden war, weil kein erheblicher Grund im Sinne des § 227 ZPO vorlag, zu erzwingen.

Die Ablehnung des Antrages auf Schriftsatznachlass stellte offensichtlich keinen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs DAR.

Die dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.09.2010 zur Last gelegten Verfehlungen sind dem Kläger seit diesem Zeitpunkt bekannt. Sie waren Gegenstand des Widerspruchsverfahrens der N. GmBH, zu dem der Kläger hinzugezogen war und sind im vorliegenden Verfahren zwischen den Beteiligten umfänglich und detailliert schriftsätzlich diskutiert worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in dem genannten Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 07.03.2011 detailliert für den Kläger Stellung genommen. Ferner hat er sich im vorliegenden Klageverfahren mit Schriftsätzen vom 05.10.2012, vom 30.10.2012, vom 19.02.2013 und vom 05.04.2013 zu diesen Vorwürfen und namentlich auch zu den festgestellten Mängeln an den Güterwagen für den Kläger geäußert. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, dass er von den hier maßgeblichen technischen Gegebenheiten nichts verstehe und deshalb angesichts der umfangreichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung eine Frist von drei Wochen ab Zugang des Protokolls für eine weitere Stellungnahme benötige, erforderte vor dem Hintergrund der vorherigen umfangreichen Befassung mit diesen Fragen nicht die Gewährung eines Schriftsatznachlasses. Diese war vor allem deshalb nicht geboten, weil anlässlich dieser Erörterungen in der mündlichen Verhandlung keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte zutage getreten sind, auf die dem Kläger aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs nunmehr Gelegenheit zu einer Äußerung hätte gegeben werden müssen. Vielmehr sind die – zwischen den Beteiligten seit März 2011 diskutierten – technischen Gegebenheiten in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten nochmals durchgesprochen worden, ohne dass sich in der Einlassung der Beklagten – sowohl hinsichtlich der dem Kläger angelasteten Tatsachen als auch hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte – Veränderungen gegenüber dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten ergeben hätten. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter hatten in der mündlichen Verhandlung umfassend Gelegenheit, zu den einzelnen vom Eisenbundesamt festgestellten Mängeln Stellung zu nehmen, und haben von dieser Gelegenheit auch Gebrauch gemacht. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Zusammenhang die Vermutung geäußert hat, die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 10.07.2007 sei nunmehr erstmals in das Verfahren eingeführt worden, trifft dies nicht zu. Denn diese war bereits Gegenstand des Schriftsatzes der Beklagten vom 15.03.2013, S. 5, auf den der Kläger mit Schriftsatz vom 05.04.2013 erwidert hat.

Auch das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2013 keine neuen entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte eingeführt.

Allein die Tatsachen, dass der Prozessstoff umfangreich und von technischen Details geprägt ist, und dass die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung mehrere Stunden in Anspruch genommen haben, gebot es bei dieser Sachlage nicht, dem Kläger aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs Schriftsatznachlass zu gewähren.

Vor diesem Hintergrund bot die Ablehnung des Antrages auf Schriftsatznachlass offensichtlich keinen Anlass für die Annahme, dass die richterlichen Mitglieder nicht bereit seien, dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren und deshalb Zweifel an ihrer Unbefangenheit bestünden. Dem gegenüber wurde der Befangenheitsantrag von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erkennbar mit dem Ziel gestellt, die abgelehnte Vertagung in der Sache doch noch zu erreichen.

Der Klageantrag zu 1) ist bereits unzulässig, weil sich der Widerruf nach der Abberufung des Klägers vom 01.03.2011 durch die N. GmBH erledigt hat. Abgesehen davon fehlt aber auch die für eine Anfechtungsklage – oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage – erforderliche Klagebefugnis des Klägers. Der Kläger ist weder Adressat des Widerrufsbescheides noch vermittelt die streitgegenständliche Bestätigung der Bestellung zum Eisenbahnbetriebsleiter bzw. deren Widerruf dem Kläger ein subjektives Recht. § 2 EBV dient nicht auch dem Schutz der Individualinteressen des Klägers. Die Bestellung eines Eisenbahnbetriebsleiters ist Ausfluss der aus § 4 AEG folgenden Verpflichtung der Eisenbahnen, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten. Die daraus erwachsenden Aufgaben sind in einer geeigneten Organisation wahrzunehmen. Dem dient die Eisenbahnbetriebsleiterverordnung, die für alle öffentlichen Eisenbahnen und für alle nichtöffentlichen EVU, die eine öffentliche Eisenbahninfrastruktur benutzen, in § 1 der Verordnung die Pflicht zur Bestellung eines Betriebsleiters normiert. Dass die Bestätigung der Bestellung zum Eisenbahnbetriebsleiter diesem selbst kein subjektives öffentliches Recht vermittelt, wird neben dem Schutzzweck der Norm auch dadurch deutlich, dass dem Betriebsleiter kein Antragsrecht zusteht, sondern allein dem EVU, dem gegenüber dann auch der Bescheid ergeht.

Der Klageantrag zu 2) hat ebenfalls keinen Erfolg. Da der Widerruf zugleich auch die Feststellung enthält, dass der Kläger nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit als Eisenbahnbetriebsleiter aufweist und sich dies auf die weitere berufliche Tätigkeit des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter bei anderen EVU auswirken wird – wie sich nicht zuletzt auch aus den Äußerungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2012 zeigt –, spricht im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG Vieles dafür, dass der Kläger jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung hat, ob die in dem Widerrufsbescheid getroffene Feststellung seiner Unzuverlässigkeit rechtswidrig war. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger dieses Recht auch nicht verwirkt. Denn der Kläger hat durch sein Verhalten vor Einlegung des Widerspruchs und Erhebung der Klage nicht zu erkennen gegeben, dass er sich mit der Feststellung seiner Unzuverlässigkeit abfinden wollte. Vielmehr hat er in dem Widerspruchsverfahren der N. GmBH um seine Hinzuziehung gebeten, sich geäußert und selbst Rechtsmittel eingelegt, als die N. GmBH ihren Widerspruch zurückgenommen hatte.

Der Klageantrag zu 2) ist jedoch unbegründet. Die in dem Widerrufsbescheid vom 28.09.2010 getroffene Feststellung, dass der Kläger sich im Nachhinein als nicht mehr zuverlässig im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EBV erwiesen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prüfung ist der Erlass des Bescheides vom 28.09.2010. Denn die im Rahmen einer Feststellungsklage eines nicht unmittelbar von dem Bescheid betroffenen Dritten erwirkte gerichtliche Überprüfung kann jedenfalls nicht weiter reichen als die Überprüfung im Rahmen der Klage des Bescheidadressaten. Da hier nach Erledigung des Bescheides vom 28.09.2010 im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage der N. GmBH nur zu prüfen gewesen wäre, ob der Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war, kann vorliegend auch nur auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden.

Die Eisenbahnbetriebsleiterverordnung selbst konkretisiert den unbestimmten Rechtsbegriff der Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit nicht näher. Allerdings wird auch im Eisenbahnrecht an die Definition der Zuverlässigkeit im allgemeinen Gewerberecht angeknüpft,

vgl. Suckale, in: Hermes/Sellner, Beck´scher AEG Kommentar, § 6 Rdnr. 31,

nach der unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1.

So gelten nach § 1 Eisenbahnunternehmer-Berufszugangsverordnung (im Folgenden: EBZugV) der Eisenbahnunternehmer und die für die Führung der Geschäfte bestellten Personen als zuverlässig im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 1 AEG, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sie die Geschäfte der Eisenbahn unter Beachtung der für die Eisenbahnen geltenden Vorschriften führen werden sowie die Allgemeinheit beim Betrieb einer Eisenbahn vor Schäden und Gefahren bewahren. In § 1 Abs. 2 EBZugV sind konkrete Tatbestände angeführt, bei deren Vorliegen (stets) von einer Unzuverlässigkeit auszugehen ist. Nach diesem Katalog gelten der Unternehmer und die für die Führung der Geschäfte bestellten Personen insbesondere nicht als zuverlässig bei bestandskräftig festgestellten schweren und wiederholten Verstößen gegen im Interesse der Verkehrs- und Betriebssicherheit erlassene Vorschriften sowie gegen Vorschriften des AEG oder auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 b) und c) EBZugV. Liegt ein benannter Fall der Unzuverlässigkeit nicht vor, ist auf die allgemeine Definition des § 1 Abs. 1 EBZugV zurückzugreifen, und zwar mit der Maßgabe, dass das Fehlverhalten hinsichtlich seiner Art und Schwere mit den in § 1 Abs. 2 EBZugV genannten Regelbeispielen vergleichbar sein muss.

Vgl. Suckale, in: Hermes/Sellner, Beck´scher AEG Kommentar, Anh. § 6 EBZugV, Rdnr. 6-11.

Dieser Maßstab ist grundsätzlich auch auf den Eisenbahnbetriebsleiter übertragbar, allerdings unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Pflichtenkreis eines Eisenbahnunternehmers grundsätzlich umfassender und vielfältiger ist als derjenige des Eisenbahnbetriebsleiters, der in erster Linie für die Wahrung der Betriebssicherheit verantwortlich ist, vgl. § 1 Abs. 1 und 2 EBV. Danach gilt ein Eisenbahnbetriebsleiter als zuverlässig, wenn davon ausgegangen werden kann, dass er die für die Tätigkeit eines Eisenbahnbetriebsleiters relevanten Vorschriften beachtet und die Allgemeinheit beim Betrieb einer Eisenbahn vor Gefahren und Schäden bewahrt wird. Unzuverlässig ist ein Eisenbahnbetriebsleiter demnach, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seine Tätigkeit künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Unzuverlässig ist dabei auch, wer zulässt, dass eine unzuverlässige dritte Person entscheidenden Einfluss auf die der Sicherheitsverantwortung des Eisenbahnbetriebsleiters unterworfenen Belange ausübt.

Vgl. Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Mallikat, Kommentar zur Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO), 5. Auflage, § 2 EBV, Rdnr. 9.

Im Falle des Klägers sah das Eisenbahn-Bundesamt es zu Recht als erwiesen an, dass der Kläger insbesondere seinen Pflichten aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EBV nicht nachgekommen ist. Die festgestellten Verstöße waren so schwerwiegend, dass das Eisenbahn-Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür geboten hat, dass er seine Tätigkeit künftig ordnungsgemäß betreiben wird.

Die Unzuverlässigkeit des Klägers folgt aus dessen grundsätzlichem Fehlverständnis über die Sicherheitspflichten eines EVU für angemietete Fahrzeuge und – damit korrespondierend – aus dem Zustand der Fahrzeuge des verunfallten Güterzuges, die zahlreiche Mängel aufwiesen, obwohl die Mitarbeiter der N. GmBH diese noch kurz zuvor einer 12-MonatsInspektion unterzogen hatten und überdies regelmäßig Wagenuntersuchungen durchgeführt haben sollen. Zwar hat das Eisenbahn-Bundesamt letztlich zwei der angeführten Mängel nicht mehr aufrecht erhalten, nämlich die Beanstandungen „Längsrisse in Monoblockrädern“ und „Puffer mit Längsspiel“. Indes rechtfertigt auch das übrige Erscheinungsbild des Zuges die in dem Widerrufsbescheid getroffene Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter. Die Mängel waren teilweise sehr gravierend und durch bloßen Augenschein zu erkennen. Nach den Feststellungen des Eisenbahn-Bundesamtes befanden sich die untersuchten Fahrzeuge in einem außergewöhnlich schlechten Zustand. Bezogen auf die Schwere und Offensichtlichkeit der Mängel und aufgrund der Vielzahl von Mängeln an einzelnen Wagen lag der Zustand der Fahrzeuge deutlich unter dem Durchschnitt der sonst bemängelten Fahrzeuge. Verantwortlich für diesen Zustand der Fahrzeuge war jedenfalls (auch) die N. GmBH, denn sie muss alle Fahrzeuge, die sie im Zugverband einsetzt, in einem betriebssicheren Zustand halten. Die Sicherheitspflicht aus § 4 AEG gilt selbst dann für ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, wenn es nicht Halter, sondern lediglich Mieter von Fahrzeugen ist. Dieser Sicherheitspflicht der N. GmBH war sich der Kläger offensichtlich nicht hinreichend bewusst. Das folgt nicht nur aus der wiederholten Betonung der grundlegenden Verantwortung des Halters Railpro für den Zustand der Fahrzeuge, sondern auch aus den Versäumnissen des Klägers in Bezug auf die Organisation und Kontrolle der Prüfung der angemieteten Güterwagen durch die Mitarbeiter der N. GmBH. Sowohl das vom Kläger über mehrere Jahre praktizierte grob fehlerhafte Verständnis der Sicherheitsverantwortung des Betreibers von gemieteten Wagen als auch der über längere Zeit in der Verantwortung des Klägers bestehende grob unsichere Zustand der Wagen stehen der Feststellung der Zuverlässigkeit des Klägers entgegen. Denn bei dieser Sachlage konnte nicht mehr davon ausgegangen werden, dass er die für die Tätigkeit eines Eisenbahnbetriebsleiters relevanten Vorschriften beachtet und die Allgemeinheit beim Betrieb der in der Sicherheitsverantwortung des Klägers stehenden Eisenbahn vor Gefahren und Schäden bewahrt wird. Die Unzuverlässigkeit des Klägers als Eisenbahnbetriebsleiter manifestiert sich insbesondere in den folgenden Mängeln:

An 18 von 20 Wagen waren die Radreifenmarkierungen nicht ordnungsgemäß. Hierbei handelt es sich um einen durch bloßen Augenschein erkennbaren Mangel, der bereits der Bundespolizeiinspektion Hannover bei einer Inaugenscheinnahme des verunglückten Zuges am 15.07.2010 aufgefallen ist. Dieser Mangel hätte sowohl bei einer Wagenuntersuchung als auch bei der 12-Monats-Inspektion festgestellt werden müssen.

Dieser Mangel ist auch gravierend, da Kontrollmarken das Erkennungsmerkmal für den festen Sitz des Radreifens auf der Felge sind. Ein loser Radreifen kann dazu führen, dass die Spurführung des Fahrzeuges verloren geht und das Fahrzeug entgleist. Soweit der Kläger sich darauf beruft, es gebe auch noch andere Möglichkeiten festzustellen, ob sich Radreifen gelöst haben, ist weder dargetan noch sonst erkennbar, dass die Mitarbeiter der N. GmBH diese Maßnahmen regelmäßig ergriffen haben. Abgesehen davon war die N. GmBH ausweislich Punkt 8 der Checkliste für die 12-Monats-Inspektion zur Überprüfung der Radbandkennzeichnung und ggf. Erneuerung verpflichtet. Auch Anlage 9, Anhang 1, Ziffer 1.1.4 des AVV ist zu entnehmen, dass bei nicht vorhandenen oder nicht eindeutig erkennbaren Kontrollmarken der betreffende Wagen auszusetzen ist.

Nach der Einschätzung der Beklagten muss dieser Mangel bereits seit geraumer Zeit bestanden haben. Die große Anzahl der Radsätze ohne bzw. mit nicht mehr erkennbaren Radreifenmarkierungen und der Grad der Verschmutzung der Radscheiben bzw. der Verwitterung seien ein deutliches Indiz dafür, dass der Zustand bereits seit geraumer Zeit bestanden haben müsse. Auch der Kläger hat schriftsätzlich und überdies in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2013 darauf hingewiesen, dass die Werkstatt im Rahmen der Hauptuntersuchung nicht ordnungsgemäß gearbeitet und die Markierungen nicht ordnungsgemäß erneuert haben müsse. Obwohl damit auch nach dem Vortrag des Klägers dieser gravierende Mangel bereits seit längerem bestanden haben muss, wurden seitens der Mitarbeiter der N. GmBH offensichtlich keinerlei Maßnahmen zur Mängelbeseitigung ergriffen. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass ein Mitarbeiter bei Fehlen der Kategorie 4 noch einen gewissen Handlungsspielraum hinsichtlich des Zeitpunkts des Aussetzens eines Wagens habe, da es auf die Umstände, die Schwere und die Erkennbarkeit des Mangels ankomme, muss er sich entgegen halten lassen, dass seine Mitarbeiter die betreffenden Mängel an den 18 Fahrzeugen entweder überhaupt nicht bemerkt haben oder aber erkannt, aber keine Abhilfemaßnahmen ergriffen haben. Eine entsprechende Dokumentation der Mängel ist jedenfalls weder bei den Wagenuntersuchungen noch bei der 12-Monats-Inspektion erfolgt. Vielmehr wurde bei letzterer Punkt 8 der Checkliste ausweislich der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Nachweise – bis auf eine Ausnahme, die allerdings ein Fahrzeug mit Vollrad betraf, nämlich Wagen 23 846437 990- 4, – durchgängig und ohne Anmerkung abgezeichnet.

An mehreren Fahrzeugen befanden sich zahlreiche Risse und Löcher im Tragwerk. Diese Mängel waren deutlich zu erkennen, u.a. weil sie sich auch an den äußeren Langträgern des Untergestells befanden und weil Risse neben Schweißnähten auftraten, die eine Länge von bis zu 60 oder 70 mm hatten. Diese Mängel waren ebenfalls nicht unerheblich, da die Lang- und Querträger Zug und Druck aushalten müssen. Auch Anlage 9, Anhang 1 Punkt 4.1.2 der AVV ordnet für Brüche und Risse an den Langträgern und Querträgern ein Aussetzen an, und zwar für Risse an den sichtbaren Schweißnähten sogar ohne Längenangabe. Auch der Kläger hat eingeräumt, dass die Risse vorhanden waren. Soweit der Kläger insbesondere in der mündlichen Verhandlung erstmals vorträgt, dass seine Mitarbeiter kontrolliert hätten, ob sich die Risse vergrößert haben, steht der Effektivität und Wirksamkeit dieser Verlaufskontrolle bereits entgegen, dass insoweit keine Dokumentation erfolgte, obwohl es sich um zahlreiche Risse an mehreren Fahrzeugen handelte und nach seinem Vorbringen bis zu 10 Wagenmeister mit der Kontrolle der Fahrzeuge befasst waren. Ohne eine entsprechende Dokumentation ist nicht gewährleistet, dass bei einer von vielen verschiedenen Personen durchgeführten Überprüfung ein Fortschreiten von Rissen wirksam unter Kontrolle gehalten werden kann.

Überdies waren an vielen Fahrzeugen die Schalenmuffen der Zugeinrichtung aufgrund von Verschleiß spielbehaftet, so dass sich die Zughaken verdrehen konnten. Das wiederum kann letztlich zu einer Zugtrennung führen. Diese Mängel, die nach den Feststellungen des Eisenbahn-Bundesamtes an zahlreichen Fahrzeugen des verunfallten Güterzuges bestanden, hätten jedenfalls bei der 12-Monats-Inspektion auffallen müssen, da Punkt 7 der Check-Liste auch eine Prüfung der Schalenmuffen vorsieht. Auch dieser Punkt wurde indes durchgängig ohne Anmerkungen als geprüft abgezeichnet. Der Einwand des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2013, es sei schließlich bei diesen Wagen niemals zu einer Zugtrennung gekommen, ist keine Rechtfertigung für die unterbliebene Mängelbeseitigung, vielmehr wirft dieser Einwand ein Licht auf das beim Kläger nur äußerst eingeschränkt vorhandene Bewusstsein für ein vorbeugendes Sicherheitsmanagement. Dass Maßnahmen zu ergreifen waren, folgt nicht nur aus Punkt 3.2.4 der Anlage 9 des AVV, der hier einschlägig ist, weil es sich um einen Mangel handelt, der nicht zuletzt wegen der dargelegten Gefahr der Zugtrennung die Betriebssicherheit gefährdet, sondern auch aus der seit Mai 2004 geltenden DIN 27202-2 „Zustand der Eisenbahnfahrzeuge – Fahrzeugaufbau und Sondereinrichtungen – Teil 2: Zug- und Stoßeinrichtung“. Denn es ist auch dem Abschnitt 4.3, Tabelle 2, lfd. Nr. 11 dieser DIN zu entnehmen, dass die Schalenmuffe in einem ordnungsgemäßen Zustand sein muss. Die DIN 27202-2 enthält sicherheitstechnische Festlegungen für den Betrieb und die Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen der Regelspurweite und richtet sich demnach nicht nur an den Halter von Eisenbahnfahrzeugen, sondern auch an EVU, die ebenfalls für einen sicheren Zustand der Fahrzeuge beim Betrieb sorgen müssen.

Auch die festgestellten Korrosionsschäden an den Radsatzwellen stellen einen gravierenden Mangel DAR. Da die Radsatzwellen bei dem hier betroffenen Wagentyp gut einsehbar sind, hätten die Mängel bei einer Wagenuntersuchung und auch bei der 12-Monats-Inspektion erkannt werden müssen. Nach den Feststellungen des Eisenbahn-Bundesamtes handelte es sich nicht nur um vereinzelte oberflächliche Schäden, sondern auch um tiefere Korrosionsnarben, die zu einem Aussetzen der betreffenden Fahrzeuge vor der Zugfahrt hätten führen müssen. Bei der Korrosion von Radsatzwellen lässt die Festigkeit der Wellen nach und es kann zu Rissbildungen kommen. Das kann letztlich zu Radsatzwellenbrüchen führen, die wiederum zwangsläufig zur Entgleisung des betroffenen Fahrzeuges führen. Das Eisenbahn-Bundesamt hat bereits im Jahre 2007 nach Bekanntwerden von sieben Güterzugentgleisungen, die auf Radsatzwellenbrüche zurückzuführen waren, eine Allgemeinverfügung zu dieser Problematik erlassen, ausweislich derer u.a. die Radsatzwellen von Güterwagen planmäßig wiederkehrend auf die Einhaltung eines betriebssicheren Zustandes zu prüfen sind. In der Allgemeinverfügung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Festigkeitsnachweis gemäß EN 13103 einen wirksamen Korrosionsschutz voraussetzt. Die erheblichen Gefahren, die von einem Radsatzwellenbruch ausgehen, sind dort eingehend beschrieben.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, dass man bei der Übernahme der Fahrzeuge im Jahr 2008 die Korrosion der Radsätze entsprechend der Allgemeinverfügung vom 10.07.2007 hätte beurteilen und die Wagen ggf. zurückweisen müssen. Man habe die Allgemeinverfügung jedoch so betrachtet, als ob sie schwebend unwirksam sei. Dass der Kläger nicht mehr wusste, ob die N. GmBH gegen die Allgemeinverfügung Widerspruch eingelegt hatte, obwohl er sich erinnerte, dass die N. GmBH die Allgemeinverfügung für sich als schwebend unwirksam ansah, bestätigt letztlich den auch in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck, dass der Kläger die Sicherheitsvorschriften nicht mit der erforderlichen Nachhaltigkeit verfolgt hat.

Auch der mangelhafte Zustand des Bremsgestänges an mehreren Fahrzeugen, der nach den Feststellungen des Eisenbahn-Bundesamtes bereits seit geraumer Zeit bestanden haben muss, und die korrodierten Druckluftbehälter mehrerer Fahrzeuge hätten bei einer Wagenuntersuchung festgestellt werden müssen. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2013 auch Versäumnisse der N. GmBH eingeräumt.

Zusammenfassend folgt aus den vorgenannten Mängeln, dass die Güterwagen nicht vorschriftsgemäß instandgehalten und wagentechnisch untersucht worden sind. Das Personal der N. GmBH hat entweder nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt oder aber sich darüber einfach hinweggesetzt. In beiden Fällen ist der Kläger seinen sicherheitsrelevanten Aufgaben nicht hinreichend nachgekommen. Der Hinweis, der Kläger habe bei der Schulung der Wagenprüfer und Wagenmeister auch die Bestimmungen des AVV gelehrt, reicht zur Entlastung nicht aus. Die aufgetretenen erheblichen Mängel, die teilweise ohne weiteres festzustellen waren, legen vielmehr den Schluss nahe, dass die Schulungen nicht ausreichend waren oder dass die Mängel auch vom Kläger geduldet wurden. Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich auf etwaige Versäumnisse des Fahrzeughalters berufen, da es ihm in diesem Falle zumindest oblegen hätte, diesen auf die Mängel hinzuweisen und bei gravierenden Mängeln die betreffenden Fahrzeuge ggf. zurückzuweisen oder auszusetzen. Angesichts dieses gravierenden Fehlverhaltens ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht mehr als zuverlässig angesehen werden konnte.

Auch der Klageantrag zu 3) hat keinen Erfolg. Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Klage mit diesem Antrag zulässig ist, denn jedenfalls ist sie unbegründet. Da der Kläger mit diesem Antrag kumulativ die Feststellung begehrt, dass die Feststellung seiner Unzuverlässigkeit rechtswidrig war und der Widerruf seiner Bestätigung als Eisenbahnbetriebsleiter unverhältnismäßig (gewesen) sei, scheitert die diesbezügliche Klage schon daran, dass die Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers – wie zu Antrag zu 2) ausgeführt – nicht rechtswidrig war. Abgesehen davon fehlt dem Kläger aber auch hinsichtlich der begehrten Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Widerrufs aus den in den zum Klageantrag zu 1) genannten Gründen das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gericht VG Köln
Typ Urteil
Datum 12.04.2013
Normen Art. 12 GG; § 4 AEG; § 1 EBV; § 2 EBV; § 4 EBV; § 49 VwVfG; § 227 ZPO;
Stichworte Bestellung; Eisenbahnbetriebsleiter; Güterwagen; Halter; Kontrollmarke; Radreifen; rechtliches Gehör; Sicherheitsmanagement; Unzuverlässigkeit; Vertagung; Zuverlässigkeit

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