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OVG Magdeburg, vom 29.03.1995

Az.: 4 L 299/93

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Urteil

(OVG Sachsen-Anhalt, 4. Senat)

-wegen Durchführung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens –

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 4. Kammer - vom 13. Juli 1993 wird zurückgewiesen. (Az. 4 A 249/91)

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird auf DM 6.000,00 festgesetzt.

 

Tat bestand

#Mit der zunächst gegen die Deutsche Reichsbahn erhobenen Klage begehrt der Kläger als eingetragener Naturschutzverband bezüglich der Wiederinbetriebnahme der ca. 19 km langen Br.bahnstrecke zwischen Sch. und dem Br.plateau die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens und seine Beteiligung hieran.

Mit Bescheid vom 14. März 1991 (BI. 35 d.A.) ist ihm die Anerkennung bezüglich der Mitwirkung von Verbänden nach § 29 BNatSchG durch das Ministerium für Umwelt und Naturschutz des Landes Sachsen - Anhalt verliehen worden.

1896 wurde der No.- We.- Eisenbahn AG die Konzession "... zum Bau und Betrieb einer ... Eisenbahn mit 1m Spurweite von No. über Il. nach We. mit einer Abzweigung nach dem Br. ..." erteilt (Nowak, Der Ostharz 1990,S. 192). Die Betriebseröffnung fand am 27. März 1899 statt.

Nach Enteignung der kommunalen Eigentümer der Bahn erfolgte 1949 die Übertragung der Betriebsführung und der Bahnanlagen auf die Deutsche Reichsbahn. Nachdem der Br. am 13. August 1961 zum militärischen Sperrgebiet erklärt worden war, stellte die Deutsche Reichsbahn den öffentlichen Personenverkehr auf der Strecke von Sch. zum Br.plateau ein.

Zwischen 1961 und 1987 fanden regelmäßige Versorgungsfahrten (mit Lebensmitteln, Kohle, Baumaterial etc.) für die auf dem Br. stationierten Truppen statt. Daneben wurde Füllmaterial täglich auf 12 Waggons aus Rü. zum Br. gefahren. Im Sommerfahrplan von Mai bis Oktober 1987 fanden täglich vier Fahrten zum Br. statt. Sie wurden in der Öffentlichkeit geheim gehalten. Wie vom Kläger ausdrücklich nicht bestritten wird, wurden die Versorgungsfahrten mindestens bis in die erste Hälfte 1988 aufrechterhalten. Danach fanden noch Betriebsfahrten statt, um die Strecke auf ihre Befahrbarkeit hin zu untersuchen, so am 9. August 1988, 8. September 1988 und am 17. August 1989.

Es hat keine förmliche Entscheidung der Deutschen Reichsbahn über eine Stilllegung / Entwidmung der Br.bahn gegeben. In den betriebsinternen Unterlagen wurde die Strecke weiterhin geführt und als Geschwindigkeit "0 km/h" angegeben. Die Strecke zum Br. ist von der Deutschen Reichsbahn als auch für die Zukunft wichtige Strecke angesehen worden, da sie der Versorgung der auf dem Br. stationierten Truppen diente und auch für den "Ernstfall" einsatzbereit sein sollte.

Erste Planungen zur Wiederinbetriebnahme erfolgten Anfang 1990. Dabei bestand die Absicht, die Harzer Schmalspurbahnen aus der Deutschen Reichsbahn wieder auszugliedern und an die ehemaligen Eigentümer bzw. an andere Interessenten zu übergeben. Mit Schreiben vom 2. Februar 1990 wandte sich die Deutsche Reichsbahn an das Büro für Territorialplanung bei der Bezirksplankommission in Magdeburg und beantragte in Anlehnung an die Verordnung über die Standortverteilung für Investitionen (GBl. - DDR Teil II Nr.52 vom 15.09.1972) in der Fassung der Zweiten Verordnung über die Verteilung der Investitionen (GBl. - DDR Teil I Nr.6 vom 1.3.1979) die Zustimmung zur "Rekonstruktion" der Strecke D.-A.-Ho. - Sch. - Br. und zur Wiederaufnahme des Reiseverkehrs zwischen den Bahnhöfen Sch. und Br.. Weiter wurde darum gebeten, nach Prüfung dieses Antrages die Beratungen bei der Kreisplankommission Wernigerode zu veranlassen.

Mit Schreiben vom 6. August 1990 überreichte die Deutsche Reichsbahn der Bezirksverwaltungsbehörde Magdeburg die Stellungnahme "Zum Verfahren Br. im Sinne der Eingriffsregelung des Umweltgesetzes". Daran schlossen sich weitere Stellungnahmen der Naturschutz-, Wasser- und Forstwirtschaftsbehörden sowie weiterer kommunaler Stellen und gesellschaftlicher Gruppen an.

Durch Verordnung der DDR - Regierung vom 12. September 1990 wurde der H.ha. zum Nationalpark erklärt.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland prüfte die Deutsche Reichsbahn die Frage des Erfordernisses eines Planfeststellungsverfahrens nach bundesdeutschem Recht. Die Notwendigkeit wurde in Übereinstimmung mit dem Ministerium für Umwelt- und Naturschutz des Landes Sachsen - Anhalt verneint.

In dem vom Kläger überreichten Erläuterungsbericht der Verkehrsbau Projekt GmBH Be. vom 19. Juni 1991 zur Sanierung der Br. wird u.a. ausgeführt (BI. 37 ff. d.A.):

- "Durch das lange Brachliegen des Abschnitts Sch. - Br. wurden auch die sonst laufend erforderlichen Unterhaltungsarbeiten unterlassen. ...

- Die vorhandenen Bahngräben werden im Vorlauf geräumt einschl. Felsbrocken und die Vorflut abgesichert. Hierzu gehören auch die bis 20 m langen Stichgräben im Hochmoorgebiet. Dies ist besonders wichtig, da hier die Gleistrasse teilweise im Wasser steht.

- Der Bahnsteig 1 [gemeint ist der Bahnsteig des Bahnhofs Br.] wird auf 120 m Länge erneuert.

- Im Zuge der Sanierung Br.bahn wird es erforderlich, am Bahnhof Br. für die Gleise 1 und 3 neue Prellbockendbefestigungen zu errichten."

Am 17. Juni 1991 - 2 Monate vor Klageerhebung - nahm die Deutsche Reichsbahn die Bauarbeiten auf. Die Arbeiten wurden im Auftrage und auf Kosten des Landes Sachsen - Anhalt durchgeführt.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sa.-An. e.V., sowie die Gesellschaft zur Förderung des Nationalparks Ha. e.V. beantragten beim Kreisgericht Magdeburg, der Deutschen Reichsbahn im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Bauarbeiten zu beginnen. Der Antrag wurde mit Beschluß vom 12. Juni 1991 - 2 VG B 55/91 - abgelehnt. Die Kammer hielt ein Planfeststellungsverfahren nach § 36 BBahnG nicht für erforderlich, da die Erneuerung der Eisenbahnstrecke im technischen Sinne kein Neubau im Rechtssinne, sondern ein Extremfall einer Unterhaltungsmaßnahme sei.

Im Sommer 1991 erfolgte die Gesamtsanierung der Strecke mit Demontage der vorhandenen Gleise, Montage der Gleise aus neuem Stahl, Montage des Gleises aus neuen Stahl- und Holzschwellen und Schienen in der alten Gleisachse, Einbringung von neuem Schotter, Stopfen und Richten des Gleises, Aus- und Einbau von 4 Weichen, Räumen und Profilieren der Bahngräben, Instandsetzung von Durchlässen, Reparaturen einer Gewölbebrücke, Einbau von Rohrdurchlässen und Erneuerung eines Bahnsteiges.

Am 15. September 1991 fand die unregelmäßige Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der Br.bahn statt. Mit Beginn des Sommerfahrplanes 1992 setzte der planmäßige Betrieb ein. Durch Vertrag vom 28. Oktober 1992 ist die Betriebsführung der Br.bahn mit Wirkung vom 1. Februar 1993 auf die Ha.er Schmalspurbahn GmBH (HSB) übergegangen.

Durch Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) ist die Zuständigkeit für das Planfeststellungsverfahren auf die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Verkehr, dieser vertreten durch den Präsidenten des Eisenbahnbundesamtes, übergegangen.

Der Kläger hat am 13. September 1991 Klage erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, daß für die Wiederinbetriebnahme der Br.bahn ein förmliches Planfeststellungsverfahren erforderlich sei. Seit 1949 sei die Strecke nicht mehr gewartet worden. Sie habe seit dem 13. August 1961 30 Jahre lang brachgelegen. Auf Grund der Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs nach dem Mauerbau sei für jedermann klar erkennbar gewesen, daß auf der Br.bahnstrecke ein öffentlicher Bahnverkehr für absehbare Zeit nicht mehr stattfinden sollte.

Die Bahnanlage habe sich vor Aufnahme der Bauarbeiten 1991 in einem katastrophalen baulichen Zustand befunden. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die gesamte Strecke zu befahren. So seien zum Teil Gleise im Moor versunken. Die Gräben seien mit ihrem früheren Querschnitt nicht mehr vorhanden gewesen und hätten ihre Funktion nicht mehr gewährleisten können.

Weiter meint er, daß sich der Rechtsstreit nicht dadurch erledigt habe, daß die Bahn bereits seit Sommer 1992 fahrplanmäßig fahre; ferner auch nicht dadurch, daß die Ha.er Schmalspurbahnen und mithin auch die Br.bahn an die HSB veräußert worden seien.

Er hat beantragt,

die beklagte Deutsche Reichsbahn zu verpflichten, für die zur Wiederinbetriebnahme der Br.bahn zwischen Sch. und dem Br.plateau erforderlichen Bauarbeiten ein Planfeststellungsverfahren nach § 36 BBahnG unter seiner Beteiligung durchzuführen.

Die ursprünglich beklagte Deutsche Reichsbahn hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, daß allein durch die Unterbrechung des Eisenbahnverkehrs rechtlich keine Entwidmung eingetreten sei. Nach ihrer Ansicht stellten die Bauarbeiten keinen Neubau, sondern lediglich die Reparatur der Strecke DAR.

Es seien keine Stichgräben neu angelegt, sondern nur Reinigungsarbeiten an vorhandenen Gräben vorgenommen worden.

Zwar habe der Bahnsteig des Bahnhofes Br. erneuert werden müssen, aber aus betrieblichen Gründen habe es genügt, ihn nur auf einer Länge von 111 m instandzusetzen. Damit sei die ursprüngliche Länge um 9 m gekürzt worden.

Das Gleis 1 am Br.bahnhof sei in alter Lage mit der bisherigen Länge gebaut und der Prellbock erneuert worden. Eine Stützmauerverlängerung sei dabei nicht erforderlich gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Nach seiner Auffassung sei § 36 BBahnG im vorliegenden Falle gemäß Anlage 1 Kap. XI Sachgebiet A Abschnitt III Nr.3a, c des Einigungsvertrages (BGBl. II S. 889) nicht anwendbar, da bereits vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 eine abschließende Sachentscheidung der DDR-Behörden vorgelegen habe und damit das Verfahren ausschließlich nach Vorschriften der ehemaligen DDR zu Ende zu führen gewesen sei.

Darüber hinaus liege § 36 BBahnG auch tatbestandlich nicht vor, da es sich bei den Baumaßnahmen weder um einen Neubau noch um eine wesentliche Änderung von Betriebsanlagen handele, sondern eine solche Gesamtsanierung als "Extremfall einer Unterhaltungsmaßnahme" zu verstehen sei.

Gegen das ihm am 26. August 1993 zugestellte Urteil hat der Kläger, eingehend per Telefax beim Verwaltungsgericht Magdeburg am 24. September 1993, Berufung eingelegt. Er tritt unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entgegen.

Er beantragt,

1. die Klage dahin zu ändern, daß statt der Bundesrepublik Deutschland das Land Sachsen - Anhalt Beklagter sei,

2. den Beklagten zu verpflichten, ein Planfeststellungsverfahren für den Bau der Bahnanlagen von Sch. zum Br.plateau unter seiner Beteiligung durchzuführen,

3. für den Fall, daß die Klageänderung nicht zugelassen wird, das Rubrum von Amts wegen zu ändern, daß statt der Deutschen Reichsbahn die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Eisenbahnbundesamt, als ihre Rechtsnachfolgerin Beklagte sei, und sie zu verpflichten, ein Planfeststellungsverfahren für den Bau der Bahnanlagen von Sch. zum Br.plateau unter seiner Beteiligung durchzuführen.

Das Land Sachsen - Anhalt stimmt der Klageänderung nicht zu und beantragt vorsorglich, die Berufung zurückzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, daß die durchgeführten Bauarbeiten lediglich eine Instandsetzung der vorhandenen Bahnanlage darstellten. Die Strecke habe sich trotz vorhandener Mängel in einem die Befahrung ermöglichenden Zustand befunden, so daß die 1990 begonnenen Sanierungsarbeiten gerade unter Einsatz der "Br.bahn" durchgeführt worden seien. Die Verwendung der dem heutigen Stand der Technik entsprechenden Materialien gäben der Baumaßnahme nicht den Charakter des Baues einer neuen Betriebsanlage.

Die Bundesrepublik Deutschland stimmt der Klageänderung zu und beantragt vorsorglich, die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung entspricht das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe:

I.

1. Der Beklagtenwechsel ist zulässig.

1.1 Die Klage war zunächst gegen die Deutsche Reichsbahn gerichtet, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland für Planfeststellungsverfahren nach § 36 BBahnG zuständig gewesen wäre. Mit der Vereinigung der Deutschen Reichsbahn mit der Deutschen Bundesbahn zur privatrechtlichen Deutschen Bahn AG ging nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2394) , verkündet mit Wirkung vom 1.1.1994 als Art. 3 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378), diese Zuständigkeit für Planfeststellungsverfahren auf die Bundesrepublik Deutschland über. Damit war kraft Gesetzes ein Wechsel der Beklagten von der Deutschen Reichsbahn auf die Bundesrepublik Deutschland verbunden

(BVerwG, Urt. vom 2.11.1973 - BVerwG IV C 55.70 -, BVerwGE 44, 148; BVerwG, Urt. vom 13.12.1979 - BVerwG 7 C 46.78 -, BVerwGE 59, 221 ,224; Urt. vom 1.12.1982 - BVerwG 7 C 97.78 -, BVerwGE 66, 298, 300).

1.2 Die vom Kläger beantragte Klageänderung durch Auswechselung des Beklagten von der Bundesrepublik Deutschland auf das Land Sachsen - Anhalt ist, obwohl ihr das Land nicht zugestimmt hat, gem. § 91 VwGO zulässig, weil sie sachdienlich ist.

Beim Beklagtenwechsel in der Berufungsinstanz streiten Gesichtspunkte der Prozeßökonomie auf der einen Seite mit solchen des effektiven Rechtsschutzes auf der anderen. Er ist weder in der VwGO noch in der ZPO ausdrücklich geregelt. An sich müßte sich der Parteiwechsel durch Rücknahme der Klage gegen den alten Beklagten und Klageerhebung gegen den neuen Beklagten vollziehen

( hierauf weisen auch Thomas / Putzo, ZPO, 18. Aufl. 1993, Vorb. zu § 50, Rdnr. 15 und Baumbach / Lauterbach/ Albers / Hartmann, ZPO, 52. Aufl. 1994, § 263, Rdnr.5, hin; die Notwendigkeit von Klagerücknahme verbunden mit der Erhebung einer neuen Klage vertritt ausdrücklich Hofmann, NJW 1964, 1026).

Dieser Ansatz hat sich jedoch zu Recht nicht durchgesetzt, da er den einheitlichen Vorgang des Parteiwechsels zerreißt und die Kontinuität zwischen dem Verfahren mit dem alten und dem neuen Beklagten aufgegeben wird. Ein Parteiwechsel in der zweiten Instanz wäre nach diesem Ansatz ausgeschlossen, obgleich hierzu zumindest dann, wenn alle drei Beteiligten einverstanden sind, aus dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie ein Bedürfnis besteht, das Verfahren abschließen zu können, ohne daß der Rechtsschutz des neuen Beklagten litte.

Die Frage, ob der Beklagtenwechsel dogmatisch als prozeßrechtliches Institut eigener Art, das kraft Gewohnheitsrecht entstanden sei, anzusehen ist (so: Schumann in Stein / Jonas, ZPO, 20. Aufl. 1987, § 264, Rdnr. 100; Baumbach / Lauterbach /Albers / Hartmann, a.a.O., § 263, Rdnr. 6; Thomas / Putzo, a.a.O., Vorb. zu § 50, Rdnr. 15; Franz, NJW 1972, 1743; 1982, 15).

oder ob er nach den Regeln der Klageänderung zu behandeln ist (so die verwaltungsprozeßrechtliche Dogmatik: BVerwG, Urt. vom 26.9.1957 - 1 CB 51.57-, DVBI 1959, 61 = Revisionsurteil zu OVG Koblenz, Urt. vom 24.1. 1957 - 1 A 17/55 -, AS 5, 382; BVerwG, B. vom 21.1.1993 - 7 B 158.92 -' DVBI 1993, 563,564; VGH Mannheim, Urt. vom 21.12.1981 - 5 S 2351/81 - , DÖV 1982, 750; VG Freiburg, Urt. vom 26.10.1984 - 7 K 37/84 -, NVwZ 1985, 444, 445; VGH Kassel, B. vom 6.4.1987 - 2 TG 912/87 -, NVwZ 1988, 88, 89; Kopp, VwG0, 10. Aufl. 1994, § 91, Rdnr.2; Redeker / von Oertzen, VwGO, 11. Aufl. 1994, § 91, Rdnr. 1, 5, 8; ebenso die st. Rspr. der Zivilgerichte: BGH, Urt. vom 6.6.1955 - 11 ZR 233/53 -, BGHZ 17, 340, 342; Urt. vom 13.7.1956 - VI ZR 32/55 -, BGHZ 21, 285; Urt. vom 30.4.1984 - II ZR 293/83 -, BGHZ 91, 132, 134; Urt. vom 10.11.1980 - II ZR 96/80 -, NJW 1981, 989; Urt. vom 26.2.1978 - II ZR 58/86 -, NJW 1987, 1946),

kann im vorliegenden Fall offenbleiben, da beide Auffassungen zu dem selben Ergebnis führen.

Einigkeit besteht darüber, daß die Zustimmung in den Beklagtenwechsel

- durch den alten Beklagten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO (§ 269 Abs. 1 ZPO) erforderlich ist, da das Verfahren ihm gegenüber nicht in Rechtskraft erwächst und daß weiter

- die Zustimmung des neuen Beklagten notwendig ist, da er eine Tatsacheninstanz verliert. Erfolgt dies mit seinem Einverständnis, werden ihm keine Rechte entzogen, vielmehr verzichtet er im Interesse der Prozeßökonomie bewußt auf eine Durchführung des Verfahrens in der ersten Instanz. Damit kommt der Sinn der Klageänderung, möglichst einen neuen Prozeß mit dem gleichen Streitgegenstand - nun zwischen dem Kläger und dem neuen Beklagten - zu vermeiden, zum Tragen.

- Ferner muß der Streitstoff vor und nach der Parteiauswechselung im wesentlichen identisch bleiben (BAG, Urt. vom 24.11.1970 - 1 AZR 238/70 -, NJW 1971, 723; Franz, NJW 1972, 1743, 1744; Roth, NJW 1988, 2977, 2980 sub IV 3; ).

Fehlt - wie hier - die Zustimmung des neuen Beklagten, kann ausnahmsweise dennoch der Parteiwechsel zugelassen werden, wenn er objektiv sachdienlich ist (Schumann in Stein / Jonas, a.a.O., § 264, Rdnr. 117; Wilckens, MDR 1957, 207)

und die Verweigerung rechtsmißbräuchlich ist (BGHZ 21, 285; NJW 1974, 750; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, a.a.O., § 263, Rdnr. 11, Thomas / Putzo, a.a.O., Vorb. zu § 50, Rdnr. 23; Schumann in Stein / Jonas, a.a.O., § 264, Rdnr. 112; a.A. Bötticher, MDR 1958, 330)

und dem neuen Beklagten kein prozessualer Nachteil droht (BGH, Urt. vom 4.10.1985 - V ZR 136/84 -, JuS 1986, 655; Kopp, VwGO, 10.Aufl. 1994, § 91, Rdnr. 16).

Die Frage, ob und wann die Zustimmungsverweigerung rechtsmißbräuchlich ist, läßt sich nicht allgemeinverbindlich sagen. Es bedarf dazu einer genauen Analyse der jeweiligen Fallkonstellation (so zutreffend Roth, NJW 1988, 2977).

Es kommt darauf an, daß dem neuen Beklagten der Verlust einer Tatsacheninstanz im Interesse der Prozeßökonomie zuzumuten ist, ohne ihm einen effektiven Rechtsschutz zu verweigern, für den ihm die Rechtsordnung nun einmal zwei Tatsacheninstanzen zur Verfügung stellt.

- An einer beachtlichen Beeinträchtigung des neuen Beklagten kann es schon dann fehlen, wenn - wie hier - die entscheidungserheblichen Tatsachen unstreitig feststehen, denn die Verfahrensordnung räumt keinen Anspruch auf rechtliche Würdigung in zwei Instanzen ein (so BVerwG, Urt. vom 26.9.1957 - I CB 51.57 - , DVBI 1959, 61 [ = Revisionsentscheidung zu OVG Koblenz, Urt. vom 24.1.1957 - 1 A 17/55 -, AS 5, 382, das die Zulässigkeit des Beklagtenwechsel abgelehnt hatte]).

- Ob darüber hinaus zu fordern ist, daß der neue Beklagte bereits durch seine Rechtsstellung in der ersten Instanz Gelegenheit hatte, zur Sache vorzutragen und Einfluß auf den Prozeßverlauf zu nehmen ( so Kopp, a.a.O., § 91, Rdnr. 20; ähnlich Redeker / von Oertzen, a.a.O., § 91, Rdnr. 8), kann im vorliegenden Verfahren und im jetzigen Verfahrensstand auf sich beruhen, da feststeht, daß die Klage gegen den neuen Beklagten abzuweisen ist. Damit fehlt es aber an einem vernünftigen Grund, den Beklagtenwechsel nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit endgültig erledigt werden kann, ohne daß der neue Beklagte unzumutbar belastet würde; denn die bestehende Prozeßsituation ist für ihn lediglich vorteilhaft. Dann kann auch ein Instanzverlust hingenommen werden, ohne daß es auf die Frage der Prozeßbeeinflussung schon in der ersten Instanz ankäme (Roth, NJW 1988, 2977, 2982 sub 4.).

2. Mit der Wirksamkeit der Klageänderung scheidet der alte Beklagte endgültig aus dem Rechtsstreit aus. In seiner Zustimmung zum Parteiwechsel liegt zugleich der Sachantrag, aus dem Rechtsstreit entlassen zu werden (OLG München, B. vom 13.4.1967 - 11 W 752/64 -, NJW 1967, 1812).

Das Verfahren wird allein gegen den neuen Beklagten fortgesetzt (Franz, NJW 1982, 15, 16).

Über die Wirksamkeit des Beklagtenwechsels kann in den Entscheidungsgründen entschieden werden. Es bedarf keines gesonderten Zwischenurteils nach § 109 VwGO (Franz, NJW 1982, 15, 17; anders für den Fall, daß der alte Beklagte nicht zustimmt: BGH, NJW 1981, 989).

 

II.

Die Berufung in Form der Klageänderung ist zulässig.

1. Sie wurde frist- und formgerecht erhoben.

Das angefochtene Urteil wurde dem Kläger am 26. August 1993 zugestellt (Bl. 126 d.A.). Die Berufungsschrift ging am 24. September 1993 beim Verwaltungsgericht Magdeburg per Telefax, das die eigenhändige Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Berufungsklägers wiedergibt, ein (Bl. 219 d.A.).

Damit ist die Berufung rechtzeitig (§ 124 Abs. 2 VwGO) und formgerecht (vgl. dazu u.a. Kopp, a.a.O., § 124, Rdnr.4; § 81, Rdnr. 9 m.w.N.) erfolgt.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft.

Weder sah § 36 BBahnG noch sieht § 18 AEG - anders als in den Fällen des § 17 Abs. 2 Satz 2 BFernStrG bzw. § 8 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 LuftVerkG - vor, die Entscheidung, kein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, durch gesonderten Verwaltungsakt zu treffen. Daher konnte der Kläger seine ihm zuerkannte Beteiligung an einem erforderlichen Planfeststellungsverfahren nach § 29 BNatSchG im Wege der allgemeinen Leistungsklage erreichen (Dürr in Koda! / Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl. 1995, Kap. 35 V C 1, Rdnr. 30.26).

3. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts nach §§ 45, 48 Abs. 1 Nr. 7 VwGO in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege(Planungsvereinfachungsgesetz) vom 17. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2123), nach dem in § 48 Abs. 1 Nr. 7 VwGO) nach den Worten "Bau" die Wörter "oder die Änderung" eingefügt worden sind, nicht angenommen. Der Zuständigkeitskatalog dieser Vorschrift erfaßt nur den Bau neuer Strecken, also neuer Eisenbahntrassen. Bei den neu eingefügten "Änderungen» handelt es sich um solche, die mit dem Bau einer neuen Strecke verbunden sind, nicht jedoch die Änderung vorhandener Bahnanlagen (Kopp, a.a.O., § 48, Rdnr. 10; so schon zu § 48 Abs. 1 Nr. 7 VwGO a.F.: OVG Bremen , B. v. 6.10.1986 - OVG 1 B 34/86 - , DÖV 1987, 159; Pagenkopf, DVBI 1985, 981, 985; von Oertzen, DÖV 1985, 749, 755).

Dies ergibt sich aus der Systematik des § 48 VwGO: In den Nummern 1, 3, 6 und 8 werden auch Streitigkeiten über die Änderung bestehender Anlagen erfaßt, während in den Nummern 5, 7 und 9 die Änderung bestehender Anlagen nicht aufgeführt ist.

Die Br.bahn nutzt die seit 1899 bestehende Trasse. Es wurde kein neuer Schienenweg zum Br.plateau geschaffen.

4. Der Kläger ist auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).

Nach § 29 Abs. 1 BNatSchG steht anerkannten rechtsfähigen Naturschutzverbänden, wie dem Kläger, ein subjektiv - öffentliches Recht auf Beteiligung am Planfeststellungsverfahren zu, soweit ihre satzungsgemäßen Aufgaben berührt werden. Nach Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Sinnzusammenhang ergibt die Auslegung des § 29 Abs. 1 BNatSchG, insbesondere unter Berücksichtigung der Zielsetzung und des Zwecks der Norm, daß mit ihr dem anerkannten Verband nicht nur eine formale Beteiligtenstellung eingeräumt werden sollte (BVerwG, Urt. vom 31.10.1991 - 4 C 7.88 -, NVwZ 1991, 162, 164; BVerwG, Urt. vom 31.10.1990 - BVerwG 4 C 7.88 -, BVerwGE 87, 62,68f.; VGH Mannheim, B. vom 17.11.1992 - 10 S 2234/92 - und 10 S 2233/92 -, NuR 1993, 144; OVG Lüneburg ,Urt. v. 27.1.1992 - 3 A 221/88 NuR 1992,293, OVG Schleswig - Holstein, B. v. 30.12.1993 -4 M 129/93 -, UA Seite 4, Bl. 248 ff d.A.; Dürr in Kodal / Krämer, Straßenrecht, a.a.O., Kap. 35 V C 2, Rdnr. 30.25; Rehbinder, NVwZ 1988, 666; Ehrlein, VBIBW 1990, 121; Dolde, NVwZ 1991, 960; Krüger NVwZ 1992, 552; Kühling, Fachplanungsrecht 1988, Rdnr. 454; a.A. noch VGH Kassel, B. vom 27.8.1982 - II TH 34/82 - NVwZ 1982, 689,690, aufgegeben durch Beschluß vom 11.7.1988 - 2 TH 740/88 - in NVwZ 1988, 1040; Messerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, 1977/94, Kommentar BNatSchG , § 29, Rdnr. 4, die lediglich von einer im öffentlichen Interesse gewährten formalen Rechtsposition ausgehen mit der Folge, daß das Anhörrecht nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens seine Durchsetzbarkeit verliert).

Der Gesetzgeber hat den anerkannten Naturschutzverbänden mit ihrer Beteiligung die Vertretung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in besonderem Maße anvertraut, damit diese, verstärkt und kompetent vorgetragen, in die Behördenentscheidung einfließen können. Dieser Zweck des Beteiligungsrechts ist nur dann effektiv zu erfüllen, wenn der anerkannte Verband seine Beteiligung im Interesse der verstärkten Berücksichtigung auch tatsächlich durchsetzen, d.h. die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache erwirken kann, wenn seine. Beteiligung unzureichend war. Ein unter Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG ergangener Planfeststellungsbeschluß leidet unter einem Rechtsfehler. Da die Planfeststellung auf einer Abwägung beruht, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, daß bei einer ordnungsgemäßen Beteiligung eine andere Sachentscheidung hätte ergehen können. Die Verletzung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG bliebe sanktionslos und könnte die Verwaltung veranlassen, die vom Gesetzgeber gewollte Beteiligung der Naturschutzverbände zu unterlaufen, wenn dem Verband die Befugnis zur Anfechtung versagt bliebe (BVerwG, NVwZ 1991, 162, 165 1.Sp; VGH Kassel, NVwZ 1988, 1040 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung; Krüger, NVwZ 1992, 552; Rehbinder, NVwZ 1982, 666, 667; 146; a.A. Dolde, NVwZ 1991, 960).

Dabei spielt es keine Rolle, daß sich der Verband auf keine eigene materielle Rechtsposition stützen kann, dessen Durchsetzung die Beteiligung dient. Der Gesetzgeber war weder durch Art. 19 Abs. 4 GG noch durch § 42 Abs. 2 VwGO gehindert, Rechtsschutz auch dann zu gewähren, wenn nur ein subjektiv - öffentliches Beteiligungsrecht, nicht jedoch auch ein materielles Rechtsgut verletzt ist (OVG Lüneburg, NuR 1992, 293, 294).

Der klagende Verband tritt dabei nicht als Popularkläger auf; er macht vielmehr die in der mangelhaften Beteiligung liegende Verletzung seines subjektiven Verfahrensrechts auf Mitwirkung, damit zugleich aber auch die darin liegende Beeinträchtigung der ihm in besonderer Weise zugeordneten Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege geltend. Dies führt nicht zur Umgehung der gesetzgeberischen Entscheidung, in § 29 BNatSchG keine allgemeine Verbandsklage zuzulassen (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 29.4.1993 - 7 A 3.92 - LKV 1993, 315, 316; Müller, LKV 1993, 159, 160).

Bei der Verbandsklage kann der Verband die Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses aus allen denkbaren Gründen geltend machen, während dem anerkannten Verband hier nur das Recht zuerkannt ist, die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wegen der Verletzung seines Beteiligungsrechts geltend zu machen (OVG Lüneburg, NuR 1992, 293, 294; BVerwG, NVwZ 1991,162; VGH Kassel, NVwZ 1988, 1040; Rehbinder, NVwZ 1982, 666).

Da dem Kläger die Klagebefugnis gegen einen Planfeststellungsbeschluß zusteht, gilt dies auch dann, wenn - wie hier - die ursprünglich zuständige Behörde, die Deutsche Reichsbahn, kein Verwaltungsverfahren zur Planfeststellung in Gang gesetzt hat, weil sie von der Genehmigungsfreiheit ihres Vorhabens ausging und aus diesem Grunde die Verbandsbeteiligung unterblieb. Zwar setzt eine Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände nach dem Wortlaut des § 29 BNatSchG voraus, daß ein Planfeststellungsverfahren stattfindet. Jedoch kommt eine Verletzung des subjektiv - öffentlichen Rechts auf Beteiligung auch dann in Betracht, wenn ein Vorhaben ohne Planfeststellung verwirklicht wird. Will man das subjektiv - öffentliche Recht auf Beteiligung nicht zur Disposition der Behörden stellen, muß auch in diesen Fällen den anerkannten Verbänden die Möglichkeit eröffnet werden, ihr Beteiligungsrecht durchsetzen zu können (OVG Lüneburg, NuR 1992, 293, 294 f.; VGH Mannheim, B. vom 17.11.1992 - 10 S 2234/92 und S 2233/92 -, NuR 1993, 144; VGH München, B. vom 15.4.1991 - 8 CE 91.30 -, NVwZ 1991, 1009; Ehrlein, VBIBW 1990, 121, 128; Krüger, NVwZ 1992, 552, 553; Dürr in Kodal / Krämer, a.a.O., Kap. 35 V C 1, Rdnr. 30.26; a.A. Messerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, 1977/94, Kommentar BNatSchG § 29, Rdnr. 4; hierzu müßte von seinem Ansatz her auch Dolde, NVwZ 1991, 960, kommen).

Der anerkannte Verband ist nicht auf die Möglichkeit zu verweisen, im Wege der einstweiligen Anordnung oder Erhebung der Leistungsklage die ohne notwendiges vorangegangenes Planfeststellungsverfahren begonnenen Bauarbeiten zu stoppen und so indirekt sein Beteiligungsrecht geltend zu machen (VGH Mannheim, NuR 1993, 144,145).

5. Der Abschluß der Bauarbeiten am Schienenweg einschließlich der für den Bahnbetrieb von Sch. zum Br.plateau notwendigen Anlagen führt nicht dazu, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Sind Baumaßnahmen entgegen § 36 BBahnG ausgeführt worden, kann und muß das Planfeststellungsverfahren - heute, nachdem § 36 BBahnG außer Kraft getreten ist, gemäß § 18 AEG - nachgeholt werden (Finger, BBahnG 1982, § 36, Anm. 12a, m.w.N.).

 

III.

Die Klage ist nicht begründet. Demzufolge war die Berufung zurückzuweisen.

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung läßt sich nicht feststellen, daß noch vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 bereits eine abschließende Entscheidung zum Bau der Br.bahn vorlag und deshalb die Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens nach bundesdeutschem Recht entfiel. In der Tat sieht Anlage 1 Kap. XI Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3a, c des Einigungsvertrages (BGBl. II S. 889) in solchen Fällen vor, daß diese Verfahren nicht nach § 36 BBahnG, sondern nach den in der DDR geltenden Vorschriften zu Ende zu führen waren.

Eine abschließende Sachentscheidung kann nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - aus dem Schreiben der Deutschen Reichsbahn an das Büro für Territorialplanung bei der Bezirksplankommission in Magdeburg vom 2. Februar 1990 (BI. 148 d.A.) entnommen werden. Dieses Schreiben läßt lediglich den Schluß zu, daß zwar die Deutsche Reichsbahn "vorsah", die Strecke zum Br.plateau "zu rekonstruieren", um dem starken Interesse der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Dazu mußte sie die Zustimmung des Büros für Territorialplanung bei der Bezirksplankommission in Magdeburg einholen. Eine endgültige Entscheidung war demnach abhängig von der Erteilung dieser Zustimmung. Darüber hinaus war die Finanzierung zu klären und Klarheit darüber zu schaffen, wer die Ha.er Schmalspurbahnen in Zukunft betreiben sollte, da sich die Deutsche Reichsbahn von diesen Strecken trennen wollte.

Daß bis zum 3. Oktober 1990 noch keine abschließende Sachentscheidung vorlag, wird auch durch den Umstand erhärtet, daß nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland eingehend die Frage erörtert wurde, ob ein Planfeststellungsverfahren nach bundesdeutschem Recht sachlich erforderlich sei.

2. Im Ergebnis kann es aber dahinstehen, ob die Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens nach § 36 BBahnG nach dem Einigungsvertrag nicht erforderlich war, weil ohnehin § 36 BBahnG, jetzt § 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396) tatbestandlich nicht einschlägig ist.

2.1 Die Wiederherstellung der Eisenbahnstrecke von Sch. zum Br.plateau stellt keinen "neuen Schienenweg einschließlich der für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen" im Sinne des § 18 Abs. 1 AEG DAR. Die Br.bahn wird vielmehr nach wie vor auf der seit 1896 bestehenden Trasse betrieben. Es handelt sich vielmehr um Instandsetzungsarbeiten, selbst wenn - was offenbleiben kann - dabei das Gleisbett, die Schienen und erforderlichen Bahnbetriebsanlagen vollständig erneuert sein sollten ( insoweit zutreffend OVG Berlin , B. vom 8.2.1991 - 2 S 18/90 -, LKV 1991, 279, 281).

Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß auf dem Br.plateau ein neuer Bahnhof gebaut worden oder der Bahnsteig um 120 m verlängert worden ist. Schon 1899 endete die Br.bahn im Br.bahnhof. Das Bahnhofsgebäude ist nach wie vor vorhanden, ebenso der Bahnsteig. Der bautechnische Erläuterungsbericht der Verkehrsbau Projekt GmBH Be. vom 19. Juni 1991 (S. 8) weist daher auch aus, daß "der Bahnsteig 1 ... auf 120 m Länge erneuert", also weder neu gebaut noch etwa verlängert werden mußte, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist (BI. 17 u. 92 d.A.).

2.2 Die durchgeführten Baumaßnahmen stellen auch keine "wesentliche Änderung" des vorhandenen Schienenweges (§ 18 Abs. 3 AEG) DAR, da weder Aufgaben einer Behörde noch die Belange Dritter hierdurch erstmals oder stärker berührt wurden als beim Bau der Br.bahn 1896 -1899 (vgl. hierzu auch: Finger, a.a.O., § 36 Anm. 12; OVG Berlin, a.a.O.).

Damals wie 1990 werden dieselben Belange der Natur und Landschaft betroffen. Lediglich die Maßstäbe, unter denen heute bei einer völlig neuen Trassenführung den Belangen des Natur- und Umweltschutzes Rechnung zu tragen wäre, haben sich verändert. Die Verschärfung rechtlicher Anforderungen an den Bau von Eisenbahnstrecken führt aber nicht "automatisch" zu einer erneuten Planfeststellungspflichtigkeit, vielmehr entfaltet die frühere Widmung der Strecke -solange sie besteht - Bestandsschutz auch für die Zukunft.

2.3 Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein Planfeststellungsverfahren im vorliegenden Fall nicht deshalb vor der Aufnahme der Bauarbeiten zur Wiederinbetriebnahme der Strecke notwendig geworden, weil der Schienenweg nach dem 13. August 1961 zumindest faktisch stillgelegt - und damit im Rechtssinne entwidmet - worden ist, so daß die Bestandskraft der ursprünglichen Widmung entfallen wäre.

2.3.1 Eine förmliche Stilllegung durch die Deutsche Reichsbahn hat es nicht gegeben. Die Strecke ist auch nach Einstellung des regelmäßigen öffentlichen Personen- und Güterverkehrs in den Unterlagen der Deutschen Reichsbahn weiter geführt worden.

2.3.2 Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob auch eine faktische Stilllegung zur Notwendigkeit eines (erneuten) Planfeststellungsverfahrens führt, wenn der ursprünglich gewidmete Schienenweg völlig verfallen ist und nun baulich wieder instand gesetzt werden soll (bejahend Schmitz, LKV 1993, 291; ebenfalls offengelassen von BVerwG , B. vom 30.10 1992 - 4 A 4.92 -, NVwZ 1993, 565, 567 r.Sp).

Dies verlangte, wie Schmitz (LKV 1993, 291, 292 f.) zutreffend darlegt, daß sich der Schienenweg durch jahrzehntelanges Brachliegenlassen so renaturiert hat, daß das Gelände sich in einem Zustand befindet, wie er annähernd vor der ursprünglichen Baumaßnahme bestand. Damit könnte der Schienenweg quasi "untergegangen" sein. Soll der Eisenbahnbetrieb auf der Trasse wiederaufgenommen werden, könnte dies der erstmaligen Inbetriebnahme gleichstehen, so daß vor Aufnahme der notwendigen Baumaßnahmen ein Planfeststellungsverfahren erforderlich wäre.

Die tatsächlichen Verhältnisse, die der Beklagte erstmals nach eingehender Erörterung vor dem Senat in seinem Schriftsatz vom 16. Februar 1995 im einzelnen dargelegt hat, liegen hier jedoch anders:

- Der Behauptung des Klägers, die Gleise seien teilweise "im Moor versunken" (BI. 14 d.A.), steht entgegen, daß nach dem Schreiben der Deutschen Reichsbahn vom 19.6.1991 (BI. 37 ff. d.A.) die Gleistrasse teilweise lediglich "im Wasser steht". Ferner hat der Beklagte - vom Kläger ausdrücklich nicht bestritten - unter Angebot von Zeugen dargelegt, daß bis zur Aufnahme der Bauarbeiten 1991 noch Fahrten bis zum Br. gemacht worden sind.

- Die Deutsche Reichsbahn hat auch den Eisenbahnverkehr zu keinem Zeitpunkt endgültig eingestellt. So fanden zwischen 1961 und 1987 regelmäßige und bis Mitte 1988 einzelne Versorgungsfahrten für die auf dem Br. stationierten Truppen statt. Nach der Einstellung der Versorgungsfahrten durch die Deutsche Reichsbahn, da die Truppen auch die zum Br. führende Straße nutzen konnten, sollte der Schienenweg aus militärischen Gründen aber weiter betriebsbereit gehalten werden. Zu diesem Zweck fanden zwischen September 1988 und August 1989 noch Betriebsfahrten statt, um die Befahrbarkeit der Strecke zu untersuchen.

Damit unterscheidet sich der Schienenweg von Sch. zum Br. von anderen Bahnanlagen der Deutschen Reichsbahn, die durch die deutsche Teilung unterbrochen, auf denen der Zugverkehr eingestellt und die sich selbst überlassen wurden.

2.4 Anders, als es der Kläger meint, kommt es für die Frage der Erforderlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens auch nicht darauf an, daß sich die Verkehrsbelastung nach Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs nach dem 13. August 1961 und der Wiederaufnahme der fahrplanmäßigen Personenbeförderung zum Br.plateau nach Abschluß der dafür notwendigen Bauarbeiten verändert hat.

Ein Planfeststellungsverfahren ist nicht bei jeder Baumaßnahme erforderlich. § 18 AEG stellt mit dem Begriff des "neuen Schienenweges" einschließlich der dafür notwendigen bahnbetrieblichen Anlagen auf die verkehrsfunktionale Bedeutung der neuen Strecke ab, d. h. es muß ein neuer Verkehrsweg errichtet werden (OVG Berlin, a.a.O.; Dürr in Kodal / Krämer, a.a.O., Kap. 34 1 C 1 b Rdnr. 7.2 für das Straßenrecht.).

Allein die Tatsache, daß nach der Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs von Sch. zum B.plateau nach dem 13. August 1961 bis zu seiner Wiederaufnahme 1991 30 Jahre lang ein nur sehr eingeschränkter Eisenbahnverkehr auf der Strecke stattfand, der zudem nach 1987 auf nur noch vereinzelte Fahrten weiter reduziert wurde, spielt keine Rolle, da die Verminderung der tatsächlichen Nutzung des Schienenweges den Rechtsakt der ursprünglichen Widmung unberührt läßt. So läßt auch die Zerstörung einer gewidmeten Eisenbahntrasse durch Naturereignisse, wie Überschwemmungen, Erdrutsche u.ä. die Widmung unberührt (Dürr in Kodal / Krämer,. a.a.O., Kap. 7 II 1 f Rdnr 15.4).

Daher ist bei einer Instandsetzung einer vorhandenen Eisenbahnstrecke, selbst wenn dies erkennbar und gewollt zu einer Zunahme des Verkehrsaufkommens führt, eine erneute Planfeststellung dieses vorhandenen Verkehrsweges nicht erforderlich. Den Auswirkungen des erhöhten Verkehrsaufkommens ist durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu begegnen.

 

IV.

1.1 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

1.2 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

1.3 Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 GKG. Da der Sach- und Streitstand keine anderweiten Anhaltspunkte bietet, war entsprechend § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG der im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung geltende Regelstreitwert von DM 6.000,00 (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F) zugrunde zu legen.

Diese Entscheidung ist gern § 152 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 25 Abs. 3 Satz 1, 5 Abs.2 Satz 3 GKG unanfechtbar.

2. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO aufgeführten Gründe vorliegt.

Gericht OVG Magdeburg
Datum 29.03.1995
Normen § 18 AEG, § 29 BNatSchG
Stichworte Beklagtenwechsel, subjektiv-öffentliches Recht anerkannter rechtsfähiger Naturschutzverbände zur Beteiligung an Planfeststellungsverfahren, Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage, Bestandsschutz und Bestand der Widmung, Planfeststellungsrecht

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