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LG Heilbronn, Urteil vom 08.07.1996

Az.: 1 KLs 29/85

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Urteil

[...]

Der Angeklagte wird wegen dreier tateinheitlicher fahrlässiger Tötungen in Tateinheit mit 35 fahrlässigen Körperverletzungen zu der

Freiheitsstrafe von 8 Monaten

verurteilt.

Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen und den Nebenklägern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Angewendete Vorschriften: §§ 222, 230, 52, 56 Abs. 1 StGB.

 

Gründe:

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO).

I.

Der Angeklagte wurde am _. _. 1924 in Br. /Sudetenland geboren, wo seine Eltern eine kleine Landwirtschaft betrieben. Sie besaßen drei Kühe und zwei Schweine; auf 5 ha Fläche wurden Roggen, Hafer, Gerste, Kraut und Kartoffeln angebaut. Der Angeklagte wuchs mit einer älteren Schwester, die 32-jährig an Knochenkrebs verstorben ist, und zwei Brüdern auf, mit denen er heute noch in enger Verbindung steht. Eine weitere Schwester starb unmittelbar nach der Geburt. Da die Erträge aus der Landwirtschaft zum Unterhalt der Familie nicht ausreichten, war der inzwischen verstorbene Vater des Angeklagten auch als Holzverlader tätig.

Von 1930 bis 1938 besuchte der Angeklagte die deutsche Volksschule in Br. . Danach hätte der Angeklagte gerne den Schlosserberuf erlernt, beugte sich aber seinen Eltern, die ihm vorhielten, daß er als Ältester den Hof übernehmen solle. Nach seiner Schulentlassung half der Angeklagte weiter in der Landwirtschaft seiner Eltern aus und arbeitete außerdem bei einer Baufirma.

Im April 1942 wurde der Angeklagte zum Reichsarbeitsdienst einberufen, wurde in Rußland eingesetzt und kehrte im Dezember 1942 in das Ausgangslager zurück. Mitte Januar 1943 wurde der Angeklagte zur Wehrmacht einberufen und kam mit einem Infanterieregiment in Rußland zum Fronteinsatz. Am 28.8.1943 erlitt er durch Granatsplitter eine schwere Knieverletzung und leichtere Verletzungen am Kinn und am rechten Auge. Etwa ein halbes Jahr nachdem er im März 1944 geheilt entlassen worden war, wurde er erneut zur Wehrmacht einberufen und zog sich bei einem Einsatz in Luxemburg Erfrierungen zweiten Grades an den Füßen zu. Nach seiner Genesung kam er im März 1945 nach Fürth. Im April 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde in ein amerikanisches Gefangenenlager in Frankreich gebracht. Im September 1946 wurde der Angeklagte aus der Gefangenschaft entlassen.

Danach begab sich der Angeklagte nach Passau, wo einer seiner Brüder sich ansässig gemacht hatte. Bei der Firma Stahlbau-Rh. , die in Süddeutschland Autobahnbrücken baute, fand er eine Anstellung als Bauarbeiter. Im selben Jahr – 1946 – wurden seine Eltern ausgewiesen und kamen nach Ka. , wo der Vater des Angeklagten eine Arbeit bei der Hoch- und Tiefbaufirma Fi. fand. 1947 starb die Mutter des Angeklagten an Tuberkulose. Im Juni 1947 gab der Angeklagte, nach Abschluß der Arbeiten an einer BAB-Brücke bei Pforzheim, seine Arbeit bei der Firma Rh. auf. Etwa ein Jahr lang war der Angeklagte als Pferdeknecht auf einem Gutshof in Holzkirchen/Bayern tätig.

Im Mai 1948 bewarb sich der Angeklagte bei der Bundesbahn um Einstellung als Betriebsarbeiter mit dem Ziel späterer Übernahme in den Lokfahrdienst. Am 8.6.1948 wurde er als Aushilfsarbeiter angestellt. Etwa ein Jahr später wurde er als Heizerlehrling in den Lokfahrdienst übernommen und nach bestandener Prüfung im Beamtendienst als Lokheizer verwendet.

1955 verehelichte sich der Angeklagte. Aus dieser Ehe sind vier Kinder hervorgegangen: ein jetzt 29-jähriger verheirateter Sohn, der bei der DB in der Zugleitung tätig ist, eine jetzt 27-jährige Tochter, die in dem Altenpflegeheim "St. A. " in Ka. tätig ist, ein jetzt 23-jähriger Sohn, der in Ka. Informatik studiert und eine jetzt 22-jährige Tochter, die bei der DB in der Zugleitung arbeitet. Die Ehefrau des Angeklagten ist seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig. Alle Kinder, außer dem verheirateten Sohn, wohnen in dem Haus, das sich der Angeklagte 1958 in Ka. erbaut hat. Die finanziellen Verpflichtungen aus diesem Hausbau sind inzwischen abgetragen. Der Angeklagte ist schuldenfrei. Unterhaltsverpflichtungen hat der Angeklagte, von seiner Ehefrau abgesehen, lediglich gegenüber seinem Sohn, der Informatik studiert und keine Mittel aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezieht.

Von 1958 bis 1969 war der Angeklagte im Zugbegleitdienst als Schaffner eingesetzt. Im Herbst 1969 meldete er sich zum erleichterten Aufstieg in die Laufbahn der Lokomotivführer. Da damals bei der Bundesbahn Personalschwierigkeiten im Lokomotivbetriebsdienst bestanden, wurden auch solchen Personen, die wie der Angeklagte keine Mechanikerlehre abgeschlossen hatten, Aufstiegschancen in die Lokomotivführerlaufbahn geboten. Nach der entsprechenden theoretischen und praktischen Ausbildung für den Triebfahrzeugdienst wurde der Angeklagte am 6.12.1971 zum Lokomotivführer und ein Jahr später zum Oberlokomotivführer ernannt. Danach erhielt er eine Zusatzausbildung zum Lokomotivführer auf elektrischen Triebfahrzeugen, die er im Juni 1973 mit einer Prüfung erfolgreich abschloß.

Am 1.8.1984 wurde der Angeklagte zum Hauptlokomotivführer ernannt. Am 8.1.1984 konnte er auf eine 40-jährige Dienstzeit zurückblicken.

Nach dem Krieg hat der Angeklagte keine bedeutenden Verletzungen mehr erlitten, abgesehen davon, daß er sich beim Rangierdienst den Fuß vertrat oder ein andermal – 1980 – im Maschinenraum gegen ein Ventil stieß und dabei eine Kopfplatzwunde erlitt, die genäht werden mußte. Auch ist der Angeklagte, abgesehen davon, daß er sich 1972 einer Leistenoperation unterziehen mußte, nie ernstlich krank gewesen. Wegen Allerweltserkrankungen wie Katarrh und Beschwerden, die mit seiner Knieverletzung in Zusammenhang standen, mußte er nur äußerst selten dienstunfähig krank geschrieben werden – im Schnitt ca. zwei Tage jährlich. Die Wiederholungsuntersuchungen der DB, die gemäß den Tauglichkeitsvorschriften bis einschließlich 1965 in Fünfjahresabständen, danach in Dreijahresabständen vorgenommen wurden, ergaben stets eine gute gesundheitliche Verfassung. Der Angeklagte, der nicht raucht und nur gelegentlich nach Feierabend Bier trinkt, hatte nie eine Kur nötig. Auch bei seiner letzten Tauglichkeitsuntersuchung am 12.11.1983 bezeichnete sich der Angeklagte selbst als voll leistungsfähig und wurde auch nach der vorgeschriebenen Untersuchung als weiterhin voll tauglich eingestuft. Lediglich im Hinblick auf gelegentlich auftretende Schmerzen in der Halswirbelsäule (Hexenschuß) erwog der Angeklagte schon zum damaligen Zeitpunkt, ob er sich nicht zum Herbst 1984 pensionieren lassen solle. Die halbjährlichen Überprüfungen seiner Fahrweise gaben nie zu den geringsten Beanstandungen Anlaß. Bei den auf Indusi-Streifen verzeichneten "Fehlhandlungen" lag der Angeklagte weit unter dem Durchschnitt, insbesondere war ihm nie ein "Signalvergehen" anzulasten.

Der Angeklagte, der früher auch Kirchengemeinderat war, ist Mitglied eines katholischen Kirchenchors. Einen großen Teil seiner Freizeit widmen er und seine Ehefrau einem Gartengrundstück von 5 ar, das sie gemeinsam bewirtschaften. Ein weiteres Hobby des Angeklagten ist eine Modelleisenbahn, die er im Keller aufgebaut hat.

Dienstlich wurde der Angeklagte durchweg gut beurteilt. Er wurde als aufgeschlossen, freundlich, anpassungsfähig, kameradschaftlich, aufrichtig, ruhig, willig, sorgfältig, verläßlich und zuverlässig beschrieben.

Nach dem verfahrensgegenständlichen Ereignis erlitt der Angeklagte einen psychischen Schock, dessentwegen er sich vom 12.8. bis 26.8.1984 in stationärer Behandlung im Krankenhaus He. befand. Nach seiner Entlassung wurde er wegen psychischer Erschöpfung krankgeschrieben. Da er nie mehr eine Lok besteigen wollte, beantragte er seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand, die am 1.3.1985 erfolgte. Sein Ruhegehalt beträgt 2.537,-- DM brutto, bzw. 2.257,00,-- DM netto.

Eine im Dezember 1984 von Professor Dr. Kl. Ma. durchgeführte neurologische Untersuchung ergab einen regelrechten, altersentsprechenden Befund, ohne umschriebene oder diffuse Hirnsubstanzdefekte und ohne nachweisbare Folgen einer umschriebenen oder diffusen Mangeldurchblutung. Die von Professor Dr. Ma. gleichfalls durchgeführte verkehrspsychologische Untersuchung ergab keinerlei Beeinträchtigung der intellektuellen Leistungsfähigkeit, der Kritik- und Einsichtsfähigkeit. Es wurde eine weit höhere als zu erwartende intellektuelle Befähigung und Differenzierung festgestellt, der als einzige Negativa eine beginnende, nicht mehr in der Altersnorm liegende Verlangsamung der visuell-motorischen Koordination und Wendigkeit und eine Umstellungserschwerung gegenüberstanden.

In strafrechtlicher Hinsicht ist der Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.

 

II.

Für den 12.8.1984 hatte der Angeklagte den dienstlichen Auftrag, den E 3050 von Karlsruhe nach Stuttgart zu bringen, dort den D 890 zu übernehmen und ihn von Stuttgart nach Heidelberg zu führen. Der Angeklagte hatte zuvor letztmals am 11.8.1984 von 7.44 Uhr bis 16.48 Uhr Dienst getan, am Freitag, dem 10.8.1984 hatte er Ruhetag gehabt.

Der Fahrauftrag für den 12.8.1984 sah unter anderem vor, den D 890 nach 21.00 Uhr – also zur Nachtzeit – auf falschem, dem in Fahrtrichtung gesehen linken Gleis vom Bahnhof Lauffen nach Heilbronn zu bringen, wozu dem Lokomotivführer in Lauffen der Befehl "B" (Falschfahrt) ausgehändigt werden sollte. Die Strecke Stuttgart-Heidelberg über Lauffen war dem Angeklagten seit seiner Zusatzausbildung für die Lokbaureihe E 150 etwa seit Januar 1975 bekannt. Er hatte die Strecke zwei bis dreimal jährlich befahren. Zuletzt am 3. und 13.7. sowie am 1. und 6.8.1984 hatte er den D 890 auf der Strecke StuttgartHeidelberg geführt – einer wegen häufiger Geschwindigkeitswechsel zwar als "Ho-TschiMinh-Pfad" bespotteten, jedoch signaltechnisch gut ausgestatteten und nicht schwierigen Strecke.

Der Angeklagte hat im Laufe seiner langjährigen Dienstzeit zahllose Fahrten zur Nachtzeit und viele Falschfahrten durchgeführt, er war auf die ab dem 3.6.1984 geltenden Änderungen der Fahrdienstvorschrift (FD) durch einen sechsstündigen Unterricht vorbereitet worden, hatte ein Exemplar der FD erhalten und kannte insbesondere auch die geringfügigen Änderungen des Befehls "B".

Den durch den Fahrauftrag vom 12.8.1984 vorgegebenen Leistungsanforderungen war der Angeklagte nach seinen individuellen körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen – wie oben unter Abschnitt I dargelegt – ohne Einschränkung gewachsen, zumal er langjährige Erfahrung, große Umsicht und eine geradezu meisterliche Fahrfertigkeit mit E-Loks besaß. Es bestand daher keine Veranlassung zu der Vermutung, daß der Angeklagte den Leistungsanforderungen im allgemeinen oder den speziellen Leistungsanforderungen, die am 12.8.1984 an ihn gestellt wurden, nicht genügen könne und er den D 890 nicht ohne Eigen- und Fremdgefährdung führen könne.

Am 12.8.1984 besuchte der Angeklagte um 8.00 Uhr die Kirche, danach trank er mit seiner Frau im Garten Kaffee. Um 12.00 Uhr nahm er das Mittagessen ein, gegen 15.30 Uhr nahm er nochmals Kaffee zu sich. Seelisch ausgeglichen, ausgeruht und ohne leistungsmindernde Mittel wie etwa Alkohol oder Tabletten zu sich genommen zu haben, bereitete er sich nach dem Kaffeetrinken auf seinen Dienst vor, der um 16.09 Uhr im Bahnhof Karlsruhe begann. Hierzu packte der Angeklagte die für die Woche vom 30.7. bis 12.8.1984 gültige Übersicht der vorübergehend eingerichteten Langsamfahrstellen ("La") und überdies einen sogenannten "Faulenzer" ein, den er sich zu Beginn des Sommerfahrplans 1984 für die Strecke BietigheimHeidelberg angefertigt hatte. Ein sogenannter "Faulenzer" ist eine Abschrift aus dem Buchfahrplan, welche lediglich noch die Information enthält, zwischen welchen Streckenkilometern welche Geschwindigkeiten einzuhalten sind, und alle übrigen im Buchfahrplan noch enthaltenen Informationen über Blocksignale, Bahnhofsteile usw. schlicht beiseite läßt. Derartige "Faulenzer" werden, wie der Sachverständige Diplomingenieur Eh. ausgeführt hat, von nicht wenigen Lokführern verwendet, obgleich die Deutsche Bundesbahn dies "selbstverständlich nicht gerne sieht", da bei derartigen Abschriften die Gefahr besteht, daß einmal etwas falsch abgeschrieben wird. Für die Strecke Lauffen-Heilbronn enthielt der ab dem 3.6.1984 gültige Buchfahrplan für Personenzüge (Heft 1214) unter anderem die Anweisung, dass ab Kilometer 43,6 beim Sbk 51 bis zum Kilometer 50,5 beim ZsigR 140/141 mit 130 km/h zu fahren sei, wobei die Fahrt bei Kilometer 46,5 am Hp Sbk 53 Nordheim, bei Kilometer 48,2 am Esig Heilbr. Hbf E 60 (Einfahrsignal Heilbronn Hauptbahnhof) und bei Kilometer 49,2 am Bft H- Klingenberg (Bahnhofsteil HeilbronnKlingenberg) vorbeiführe. Auf seinem "Faulenzer" hatte sich der Angeklagte indes lediglich notiert, daß er ab "43,6/Sb 51" bis "50,5 Eifs. Heilbr." mit 130 km/h zu fahren habe. Mit anderen Worten: Der Angeklagte hatte sich das bei Kilometer 48,2 befindliche Einfahrsignal zum Heilbronner Hauptbahnhof nicht notiert und das bei Kilometer 50,5 befindliche Zwischensignal R 140/141 als Einfahrsignal Heilbronn aufgeschrieben.

Am 12.8.1984 um 16.09 Uhr trat der Angeklagte seinen Dienst im Bahnhof Karlsruhe an, nachdem er sich zuvor noch die "La" für die folgende Woche abgeholt hatte. Im Rahmen der Vorbereitung seines Tagesprogramms sah sich der Angeklagte die von 30.7. bis 12.8.1984 gültige "La" an und entnahm dieser aus Blatt 18 Nr. 61, daß er in Lauffen außerplanmäßig halten und dort – wie er sich in seiner "La" eigenhändig unterstrich – wegen "Oberbauarbeiten im Nachbargleis", dem in Fahrtrichtung gesehen rechten Gleis, den Falschfahrbefehl B entgegennehmen müsse. Außerdem kreiste er die in seiner "La" angegebene Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h ein, die unter Berücksichtigung des Zustands nach Oberbauarbeiten für den Streckenabschnitt von Kilometer 44,6 bis Kilometer 45,0 bei Benutzung des rechten Gleises vorgeschrieben war. Der Angeklagte wußte, daß diese Beschränkung für die bevorstehende Falschfahrt nicht galt, er wollte jedoch jegliche Gefährdungen der Bauarbeiter und seiner Fahrgäste ausschließen und deshalb diese an sich nicht gebotene Geschwindigkeitsbeschränkung beachten.

Nach Abfahrt um 17.28 Uhr in Karlsruhe kam der Angeklagte um 18.40 Uhr in Stuttgart Hauptbahnhof mit dem E 3050 an. Dort übernahm er um 20.20 Uhr mit seiner Lok den D 890, der aus einem Pack- und acht Liegewagen bestand, welche für 234 Fahrgäste Platz boten. Die Bremsen waren ordnungsgemäß überprüft und in Ordnung, die Lok wie auch sämtliche Wagen waren in einem technisch einwandfreien Zustand. Als der Angeklagte um 20.50 Uhr von Gleis 9 im Stuttgarter Hauptbahnhof abfuhr, befanden sich acht Begleitpersonen der Deutschen Bundesbahn im Zug, die Gesamtzahl der Fahrgäste konnte nicht festgestellt werden.

Um 21.06 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem D 890 im Bahnhof Bietigheim ein, wo der Fahrtdienstleiter Ha. über Lautsprecher dem Zug- und Lokführer des D 890 zweimal bekanntgab, daß der Zug wegen Befehlsempfangs in Lauffen außerplanmäßig halten müsse.

Um 21.19 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem D 890 im Bahnhof Lauffen ein, hielt in Höhe der Diensträume an und nahm die Befehle "C" und "B" entgegen. Der Befehl "C" besagte, daß der Zug D 890 wegen verkürzter Einschaltstrecke zwischen Lauffen und Heilbronn von Kilometer 41,1 bis 41,7 mit höchstens 50 km/h fahren dürfe. Der Befehl "B" enthielt die nachfolgenden drei Einzelanweisungen:

- "a) fährt auf falschem Gleis von Lauffen bis Heilbronn"

- "c) Nr. 2 fährt im Bahnhof Lauffen am haltzeigenden Asig N 1 vorbei"

- "d) Nr. 2 hält nicht auf falschem Gleis, sondern fährt ohne Hauptsignal in den Bf Heilbronn- Klingenberg ein mit 40 km/h"

An sich wäre es vorschriftsgemäß ausreichend gewesen, wenn der Teil "d) Nr. 2" gelautet hätte: "hält nicht auf falschem Gleis, sondern fährt ohne Hauptsignal in den Bahnhof Heilbronn ein." Daß der dem Angeklagten übergebene Befehl "B" den Bahnhof als "Heilbronn-Klingenberg" bezeichnete, ist darauf zurückzuführen, daß im Bahnhof Lauffen ein Befehlsmuster vorlag, das bei früheren Falschfahrten Anwendung gefunden hatte, in welchem die Bezeichnung Bahnhof "Heilbronn-Klingenberg" verwendet worden war. Damit war beabsichtigt klarzustellen, daß nicht erst in den zum Großbahnhof gehörigen Bahnhofsteil Heilbronn, sondern schon in den – von Lauffen aus gesehen – davorliegenden, zum Großbahnhof Heilbronn gehörenden Bahnhofsteil Klingenberg ohne Hauptsignal eingefahren werden müsse. Daß überdies der Zusatz "mit 40 km/h" gemacht wurde, ist darauf zurückzuführen, daß Tags zuvor der Lokführer Rapp gerügt hatte, daß der neue Befehl "B" überhaupt nichts mehr aussage, da er weder die Geschwindigkeitsangabe 40 km/h (die im früheren Befehl "B" tatsächlich angegeben war) noch den Standort des Einfahrsignals (der auch im früheren Befehl "B" nicht angegeben war) enthalte. Daraufhin waren, um jeglicher Verwirrung vorzubeugen, und in der Erwägung, daß ein Mehr an Sicherheit nicht schaden könne, der Zugüberwacher Bo. von der Betriebsleitung Stuttgart und der Fahrdienstleiter des Bahnhofs Lauffen übereingekommen, daß der in Lauffen zu erteilende Befehl "B" mit dem Zusatz "mit 40 km/h" versehen werden solle.

Vor der Abfahrt des D 890 holte der Fahrdienstleiter in Lauffen, der Zeuge St. , bei der Fahrtdienstleitung in Heilbronn, den Zeugen Fr. und Ba. , eine Fahrwegsicherungsmeldung ein, als Voraussetzung dafür, dass der D 890 ohne Halt in den Bahnhof Heilbronn einfahren könne. Vorgesehen war, daß der D 890 vom falschen Gleis 241 über die Weichen 58 und 59 auf das richtige Geleis 240 und von dort aus über die Geleise 140 und 40 auf das Geleis 3 im Hauptbahnhof Heilbronn fahre. Auf 21.20 Uhr wurde der D 890 abgemeldet und angenommen.

Um 21.21 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem D 890 mit zweiminütiger Verspätung von Lauffen ab. Wie befohlen, fuhr der Angeklagte beim Halt (Hp 0) zeigenden Ausfahrsignal N 1, nachdem er die Befehlstaste der Indusi umgelegt hatte, um eine Zwangsbremsung zu vermeiden, vorbei. Im Bereich zwischen Kilometer 41,1 und 41,7 fuhr der Angeklagte, wie ihm durch Befehl "C" vorgeschrieben war, mit 40 bzw. 50 km/h, an der im Bereich zwischen Kilometer 44,6 und Kilometer 45 befindlichen Baustelle fuhr der Angeklagte vorsichtshalber mit nur 60 km/h vorbei, obwohl, wie bereits erwähnt, eine Ermäßigung auf 70 km/h nur für das "richtige Gleis" nach Bauarbeiten galt. Danach schaltete der Angeklagte die Antriebsleistung seiner Lokomotive auf ca. 95 km/h und fuhr mit der genannten Geschwindigkeit an dem bei Kilometer 47,238 befindlichen Vorsignal "a" (zu dem bei Kilometer 48,196 befindlichen Haupt- und Einfahrsignal) vorbei. Im Bereich dieses Vorsignals (zum Einfahrsignals) hätte der Angeklagte mit der auf das Einfahrsignal hinzielenden Bremsung beginnen müssen. Stattdessen erhöhte sich auf der etwa ab Kilometer 47,0 beginnenden Gerade die Geschwindigkeit des Zugs allmählich bis auf ca. 110 km/h. Mit der genannten Geschwindigkeit fuhr der Angeklagte an dem bei Kilometer 48,196 befindlichen Hauptsignal "A", dem Einfahrsignal, vorbei, wo der Angeklagte die Zuggeschwindigkeit auf 40 km/h herabgebremst hätte haben müssen, weil nach dem Einfahrsignal der Bahnhofs- und damit Weichenbereich begann, ab wo die Überleitung auf das "richtige" Gleis möglich wurde und zu erwarten war. 400 Meter danach, bei Kilometer 48,6, leitete der Angeklagte, wie der Sachverständige Diplomingenieur Eh. ausgeführt hat, eine im Ansatz "harmonische Betriebsbremsung" ein. Während dieser beginnenden Betriebsbremsung, die Geschwindigkeit betrug 103 km/h, erreichte die Lok die nach rechts weisende Weiche 59 bei Kilometer 48,830. Durch den engen Weichenbogen mit nur 300 Meter Radius wurde der Zug plötzlich nach rechts geführt. Durch den Beharrungszustand floh die große Masse des Zuges, die Lokomotive voraus, noch geradeaus, wodurch sich die Fahrzeuge beim Lauf durch die Kurve nach links neigten. Dann pendelten die Fahrzeuge durch die sich entspannenden Federdrücke zurück nach rechts. Im nächsten Moment jedoch fuhr der Zug in die nach links führende Weiche 58, die einen Radius von 500 Meter hatte, zum richtigen Geleis 240 ein. Die nun nach rechts pendelnden Wagen wurden von der Lok abrupt nach links gezogen, die Wagenkästen kippten nach rechts über, der Zughaken konnte den sich entwickelnden großen Kräften nicht standhalten und riß ab. Der Wagenzug wurde zerrissen, die ersten vier Wagen stürzten die an dieser Stelle etwa fünf Meter hohe Böschung hinunter, die folgenden zwei Wagen liefen auf bereits gekippte Wagen auf, stürzten um und blieben oben auf der Böschung liegen, die restlichen drei Wagen entgleisten, blieben jedoch auf Gleis 240 stehen. Durch die Wankbewegung der Lokomotive wurde der Abstand (Luftspalt) zwischen Fahrzeugunterkante und Schienenoberkante beim Einfahren in die zweite Weiche so verringert, daß durch den Indusi-Fahrzeugmagneten eine gleichzeitige 2000 Hz und 500 Hz-Zwangsbremsung ausgelöst wurde. Die Lok kam bremsend ca. 350 Meter weiter bei Kilometer 49,18 zum Stehen.

Als Folge ihrer unfallbedingten schweren Verletzungen fanden die folgenden drei Menschen, die sich im zweiten Wagen (SW 618071-41804-9) befunden hatten, den Tod: der 50-jährige geschiedene Schlafwagenschaffner He. Gr. , der 38-jährige verheiratete Landtagsabgeordnete und Rechtsanwalt Jo. Wi. Ha. und die 43-jährige ledige Heileurhythmistin El. Ju. .

Infolge des Unfalls wurden die folgenden Fahrgäste in ihrer körperlichen Unversehrtheit und/oder ihrem körperlichen Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt: Su. Ad. , Er. Ba. , E. Ba. , Ma. Be. , Jo. Be. , Ha. Ben. , El. Br. , Ch. Et. , Sy. Et. -Ho , El. Ga. -We. , Wa. Ga. -We. , Ge. Gh. , Ma. Jä. , Ch. Jä. , Se. Jä. , Ju. Je. , Ge. Kl. , Wa. Kl. , He. Kn. , St. Kn. , VO. Ma. , El. Ma. , Jö. Mo. , He. Ne. , Rü. Ro. , Ha. Sch. , Ge. Se. , Ro. Sk. , Gü. St. , Re. To. , Ma. Vö. , An. Wi. , Ch. Wi. , Ch. Za. und Ka. Wa. . Hinsichtlich der Körperverletzungen, die weitere 21 Passagiere bei dem Unfall erlitten, wurde gemäß § 154 a Abs. 1 und 2 StPO verfahren.

An den Fahrzeugen, den Signalanlagen, der Fahrleitung und dem Oberbau entstand der Deutschen Bundesbahn ein Sachschaden in geschätzter Höhe von 4,5 Millionen Mark. Die an die Fahrgäste bislang schon bezahlte Schmerzensgeldsumme beläuft sich auf ca. 65.000,-- DM.

Nach dem Unfall meldete der Angeklagte dem Zeugen Sch. über Zugfunk, daß er den Zug verloren habe. Dabei kam es zu folgenden Dialog:

Zentrale: Ja, ... Sch. , Lokführer was ist jetzt?

Lokführer: Die Wagen liegen kreuz und quer

Zentrale: Wo?

Lokführer: Da, Einfahrt Heilbronn ...

Zentrale: Wie weit weg von Ihnen?

Lokführer: Bitte?

Zentrale: Wie weit weg von Ihnen?

Lokführer: Von mir ist's ungefähr 100 bis 150 Meter.

Zentrale: 100 bis 150, und Sie stehen auf der Einfahrweiche?

Lokführer: Nein, ich stehe jetzt zwischen Einfahrsignal, und da, wo die von der Einleitung schräg rübergegangen ist, das habe ich verpaßt. Da bin ich mit 120 rüber, statt mit 40 rüber.

Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung glaubhaft versicherte, gewußt zu haben, daß er nach der Falschfahrt nur mit 40 km/h in den beim Einfahrsignal beginnenden Bahnhof einfahren dürfe, da er konkret jedoch nur noch wußte, daß er plötzlich ein grünes Signal gesehen und dann auch gewußte habe, daß etwas nicht stimme, da er sich und der Kammer jedoch die genaue(n) Ursache(n) des Unfall nicht erklären konnte und deshalb auch nahezu alle Unfallhypothesen als möglich bezeichnete, konnte die Kammer die Unfallursache nicht eindeutig klären. Gestützt auf das noch heute vorhandene sichere Wissen des Angeklagten, die vom Sachverständigen Diplomingenieur Eh. erläuterte Indusi-Aufzeichnung sowie das oben zitierte Gespräch zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen Sch. , konnte die Kammer nur die folgenden Kausalverläufe alternativ feststellen.

Die erste Möglichkeit: Als der Angeklagte in Karlsruhe sein Fahrprogramm betrachtete und auch als er in Stuttgart die technischen Vorbereitungen zur Abfahrt traf, sah er in der nach Lauffen beginnenden Falschfahrt kein Problem, das er seines Erachtens nicht später noch während der Fahrt hätte lösen können. Auch als er in Lauffen den einteiligen Befehl "C" und den dreiteiligen Befehl "B" erhielt, nahm er sich vor, die insgesamt vier Einzelbefehle nacheinander zu erledigen, also jeweils erst nach Erledigung des einen Teilbefehls den nächsten Teilbefehl gedanklich und technisch in Angriff zu nehmen. Demgemäß wandte er sich dem dritten Teil des Befehls "B" "d Nr. 2" (hält nicht auf falschem Gleis, sondern fährt ohne Hauptsignal in den Bahnhof Heilbronn- Klingenberg ein mit 40 km/h) auch erst gedanklich zu, als er die Baustelle hinter sich gelassen hatte und der Zug mit annähernd 100 km/h dem maßgeblichen Vorsignal bei 47,2 und Hauptsignal bei 48,2, dem Einfahrsignal, zueilte. Nachdem der Angeklagte auf den Befehl "B" das Wort Heilbronn-Klingenberg gelesen hatte, und ihm der Begriff Klingenberg "an und für sich nichts" sagte, suchte er in dem vor ihm liegenden Buchfahrplan nach Klingenberg, las über die Zeile: "Esig Heilbr. Hbf E 6t" bei Kilometer 48,2 hinweg, stieß auf die Zeile "Bft H-Klingenberg" bei Kilometer 49,2 und meinte, daß sich erst bei Kilometer 49,2 das Hauptsignal befinde an welchem er mit 40 km/h vorbeifahren müsse. Daher nahm er sich vor, bei Kilometer 48,6 eine auf Kilometer 49,2 hinzielende Betriebsbremsung einzuleiten. Obgleich er bei Kilometer 48,3 weiße Rangiersignale und in der Ferne auch ein grünes Signal sah, – Beobachtungen, die er mit seinem vermeintlichen Fahrauftrag nicht recht in Einklang bringen konnte – leitete er gleichwohl erst bei Kilometer 48,6 eine harmonische Bremsung ein.

Die zweite Möglichkeit: Als der Angeklagte im Bahnhof Karlsruhe sein Fahrprogramm betrachtete, registrierte er, daß die "La" eine Falschfahrt mit Befehl "B" von Lauffen nach Heilbronn vorsah. Er wußte, daß er auf "Falschfahrt" grundsätzlich wie nach Buchfahrplan fahren mußte, jedoch nie über 100 km/h fahren durfte. Von dieser Grundregel abweichend nahm er sich vor, im Baustellenbereich zwischen Kilometer 44,6 und 45,0 weniger als 100 km/h, nämlich nur ca. 70 km/h einzuhalten. Daß er in Lauffen bezüglich der Beendigung der Falschfahrt neben anderen Möglichkeiten auch den Befehl "B", "d Nr. 2" erhalten könne, ohne Halt auf dem falschen Gleis und ohne Hauptsignal in den Bahnhof einzufahren, war dem Angeklagten ebenso klar wie der Umstand, daß er den Standort des Einfahrtsignals dem Buchfahrplan entnehmen müsse. Er erachtete indes die Frage, wo das Einfahrsignal zum Bahnhof Heilbronn stehe, für geklärt, da er sich vor etwa eineinhalb Monaten auf seinem "Faulenzer" – fälschlicherweise – das bei Kilometer 50,5 befindliche Zwischensignal R 140/141 als Einfahrsignal notiert hatte und bislang immer auf dieses Signal als vermeintlich richtiges Einfahrsignal zugefahren war. Obwohl ihm der Name "Klingenberg", der in dem ihm in Lauffen übergebenen Befehl "B" aufgeführt war, "an und für sich nichts" sagte, stellte er über die – beabsichtigt warnende – Bedeutung dieses Zusatzes keine Erwägungen an. Auch nahm er, nachdem er die vorhergehenden Teilbefehle ausgeführt hatte, keinen Einblick mehr in den vor ihm liegenden Buchfahrplan, aus dem er den richtigen Standort des Einfahrtsignal bei Kilometer 48,2 hätte entnehmen können. Infolge dessen fuhr er am Hauptsignal bei Kilometer 48,2 mit über 100 km/h vorbei. Als er kurz darauf das weiße Rangiersignal und in der Ferne ein grünes Signal sah, wußte er, daß etwas nicht stimmte und leitete bei Kilometer 48,6 eine Bremsung ein.

Als Unfallursachen konnten indes mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte wegen eines "Black outs" am Einfahrsignal vorbeigefahren wäre, aufgrund der von Professor Dr. Ma. dargelegten Befunde und des Umstands, daß der Angeklagte die Sifa-Taste betätigt hat, daß der Angeklagte beabsichtigt gehabt hätte, am Einfahrsignal mit 40 km/h vorbeizufahren, jedoch die Orientierung verloren habe, wo er sich mit seiner Lok überhaupt befinde, da die gut sichtbaren Kilometertafeln, die zahlreichen Signale und überdies der hell erleuchtete Bahnhof Nordheim (Kilometer 46,5) derart viel Orientierungshilfen boten, daß der Angeklagte, wenn er die vorgenannte Absicht gehabt hätte, zweifellos eine auf das Einfahrsignal zielende Bremsung vorgenommen hätte und schließlich, daß der Angeklagte, als er den Standort des Einfahrsignals im Buchfahrplan suchte, versehentlich in die darunterliegende "falsche" Zeile verrutscht sei, da dies schon von der Gestaltung des Buchfahrplans her, insbesondere der Zeilenkürze ausgeschlossen ist.

Angesichts dessen, daß der Angeklagte wußte, daß für die Falschfahrt von Lauffen nach Heilbronn nur "papierene Sicherheit" bestand, das heißt, daß die Falschfahrt nicht technisch abgesichert war, sondern Leib und Leben der Fahrgäste und seiner DB-Kollegen allein in seiner Hand lagen, hätte sich der Angeklagte möglichst frühzeitig und verläßlich über den Standort des Einfahrsignals zum Bahnhof Heilbronn informieren müssen; sodann wäre für ihn bei seinem Wissen und Können die Beendigung der Falschfahrt unproblematisch gewesen. Zwar hielt der Angeklagte aufgrund seiner bisherigen Fahrpraxis sowohl bei einer scheibchenweisen Erledigung seines Fahrauftrags (Fall 1) als auch bei einem Fahren nach den in seinem "Faulenzer" notierten Informationen (Fall 2) eine Gefährdung der Fahrgäste und seiner DB-Kollegen für ausgeschlossen. Doch ließ er den Impuls der Gefahr und der Pflichtwidrigkeit, der sich ihm sowohl im einen wie im anderen Falle aufdrängen mußte, nicht wirksam werden. Trotz der ihm nach seinen individuellen Fähigkeiten möglichen und zumutbaren Sorgfalt hat er deshalb den Unfall und seine schwerwiegenden Folgen pflichtwidrig nicht vorhergesehen und deshalb nicht vermieden.

 

III.

Der Angeklagte hat sich somit in drei tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Tötung und in 35 tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht (§§ 222, 230, 52 StGB).

 

IV.

Bei der Strafzumessung fielen zugunsten des Angeklagten insbesondere sein bisheriger tadelsfreier und rechtschaffener Lebenslauf sowie seine bislang pflichtbewußte, umsichtige und gewissenhafte Diensterfüllung bei der Deutschen Bundesbahn ins Gewicht. Des weiteren war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, daß er als unmittelbare Unfallfolge einen Unfallschock erlitt und heute noch unter seiner Verfehlung ersichtlich schwer trägt. Ferner war zugunsten des Angeklagten zu bewerten, daß er mit disziplinären Weiterungen rechnen muß. Schließlich kann zugunsten des Angeklagten nicht ganz unberücksichtigt bleiben, daß die Deutsche Bundesbahn vor dem vom Angeklagten verursachten Unfall keine Veranlassung gesehen hatte, Falschfahrten mit Befehl "B" zusätzlich durch Indusi-Einrichtungen abzusichern, er mithin die Entwicklung erst ausgelöst hat, die es ihm erspart hätte, vor seinem wohlverdienten Ruhestand sich in Schuld zu verstricken.

Zum Nachteil des Angeklagten war indes zu berücksichtigen, daß er genau wußte, daß mangels technischer Sicherungen Leib und Leben von Fahrgästen und DB-Kollegen allein ihm anvertraut waren, von ihm also eine erhöhte Sorgfalt verlangt wurde. Des weiteren fällt zu seinem Nachteil der Umfang der Katastrophe ins Gewicht.

Nach Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien der Kammer eine

Freiheitsstrafe von acht Monaten

als tat- und schuldangemessen.

Die Vollstreckung der Strafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung der Strafe nicht.

 

V.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465, 471, 397 StPO.

Gericht LG Heilbronn
Typ Urteil
Datum 08.07.1996
Normen § 52 StGB; § 56 Abs. 1 StGB; § 222 StGB; § 230 StGB;
Stichworte Hauptlokomotivführer; 40-jährige Dienstzeit; Tauglichkeitsvorschriften; voll leistungsfähig; vorgegebenen Leistungsanforderungen ohne Einschränkung gewachsen; Einfahrsignal nicht notiert; Zwischensignal als Einfahrsignal aufgeschrieben; Falschfahrten

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