LG Berlin, Urteil vom 27.01.2022
Az.: 93 O 139/20
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin _ _ _ € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von _ _ _ € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juli 2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Forderungen nach Stornierung eines Eisenbahngütertransportvertrages.
Die Klägerin erbringt national und grenzüberschreitend Schienentransportleistungen. Die Beklagte, die ebenfalls im grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr tätig ist, beauftragte die Klägerin am 24. Mai 2019 mit einem Zugumlauf für Biodiesel von f. nach M. (ohne Fracht) und zurück nach M. (mit Fracht) für den 27. Mai 2021, Beginn 20.00 Uhr, zum Preis von 21.358,00 EUR. Die für den Transport erforderlichen Kesselwagen sollte die Beklagte leer und gereinigt am Ausgangsbahnhof zur Verfügung stellen.
In der Angebots-E-Mail (Anlage K1) der Klägerin an die Beklagte vom 24. Mai 2019, 11:48 Uhr heißt es am Ende: „Wir arbeiten ausschließlich auf Grund unserer Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB), neueste Fassung“.
In Ziffer 12.2 der AGB der Klägerin (Anlage K2) ist eine Stornierungsregelung enthalten, die bei Stornierung von weniger als 24 Stunden vor der geplanten Abfahrt ein Stornierungsentgelt in Höhe von 85% des Frachtpreises vorsieht. Nach Ziffer 12.5 hat der Kunde das Recht nachzuweisen, dass der durch die Stornierung entstandene Schaden geringer ist als das Stornierungsentgelt. Nach Ziffer 12.6 schuldet der Kunde kein Stornierungsentgelt, wenn die Klägerin die Stornierung zu vertreten hat, was der Kunde nachzuweisen hat. In Ziffer 13.2 der AGB ist geregelt, dass alle Verträge ausschließlich dem Recht der BRD unterliegen.
Mit E-Mail vom 27. Mai 2019, 23:45 Uhr teilte die Klägerin mit, dass sie den Zug nicht als Biodiesel deklariert fahren lassen werde, wenn Diesel im Tank sei, da es dann ein Gefahrguttransport sei. Die Beklagte möge nachweisen, dass die Tanke gereinigt worden seien (Anlage K3). Mit E-Mail vom 28. Mai 2019, 0:56 Uhr teilte die Klägerin mit, dass sich die Lieferung aufgrund falscher Beschriftung des Ladegutes auf unbestimmte Zeit verschiebe bis der Sachverhalt geklärt sei und übersandte ausweislich der E-Mail um 1.06 Uhr entsprechende Fotos mit den „falschen Beschriftungen“. Mit E-Mail vom 28. Mai 2019, 7:35 Uhr teilte die Beklagte mit, dass sie die „correct Waybill“ übersende. In der E-Mail heißt es: „Last product RID UN 1202“. Mit E-Mail vom 28. Mai 08:12 Uhr schrieb die Firma ADM als Empfängerin, dass der Zug nicht mehr losfahren brauchte, sofern er nicht am selben Tag nach M. komme. Mit E-Mail vom 28. Mai 2019, 11:20 (Anlage K4) teilte die Beklagte mit, dass der Zug nach M. gecancelt sei.
Mit Rechnung vom 17. September 2019 stellte die Klägerin der Beklagte ein Stornierungsentgelt von 18.155,00 EUR (85% von 21.358,00 EUR) in Rechnung.
Die Klägerin behauptet, dass die von der Beklagten gestellten Kesselwagen am Ausgangsbahnhof mit Dieselrückständen verschmutzt gewesen seien. Aufgrund der vorhandenen Dieselrückstände hätte es sich damit - anders als bei einem BiodieselTransport - um einen Gefahrguttransport gehandelt. Für diesen Produktwechsel habe es wiederum an der erforderlichen Kennzeichnung nach den Gefahrgutvorschriften gefehlt. Da sie die Beklagte vergeblich aufgefordert habe, die Kesselwagen zu reinigen und die entsprechenden Nachweise zur Verfügung zu stellen, sei sie berechtigt gewesen, nicht loszufahren und für den sodann stornierten Transportauftrag die in 3 den wirksam nach deutschem Recht in den Vertrag einbezogenen AGB vereinbarte Stornierungsgebühr zu verlangen. Die Klägerin behauptet zur Einbeziehung der AGB in den Vertrag, dass sie die Beklagte in der Vergangenheit jedes Mal vor dem Vertragsschluss darauf hingewiesen habe, dass sie ihre Leistungen ausschließlich auf der Grundlage ihrer AGB erbringe. Die AGB seien der Beklagten bekannt gewesen und auf der Internetseite der Klägerin abrufbar. Die Beklagte sei im Übrigen - wie auch ihre in Deutsch gehaltene Internetseite (Anlage K10) belege - der deutschen Sprache mächtig und kommuniziere auch auf Deutsch.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von _ _ _ € nebst in Höhe von neuen Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2019 zu zahlen,
2. Die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von _ _ _ € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zunächst mit der Klageerwiderung behauptet, dass die Wagen durch den vorherigen Transport von Diesel als Gefahrgut so verschmutzt gewesen seien, dass eine Benutzung der Waggons nicht möglich gewesen sei (Klageerwiderung Seite 2, Bl. 68 d.A.). Mit Schriftsatz vom 07.10.2021 (Bl. 96) bestreitet sie, dass der Zug durchgefahren und verschmutzt gewesen sei, sodass der Transport von der Beklagten habe storniert werden müssen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die klägerischen AGB ohnehin auch nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien. Im internationalen Güterverkehr bedürfe es für die Einbeziehung eines konkreten Hinweises auf die Geltung der AGB und der Vorlage derselben für die andere Seite. Daran fehle es und im Übrigen fehle es auch an einer Übersetzung in die p. Sprache.
Schließlich behauptet die Beklagte, dass sie sich im Juli 2019 mit der Klägerin auf eine Kompensation geeinigt habe. So habe die Beklagte die Klägerin nach dem hiesigen Transport mit weiteren Transporten beauftragt, bei denen im ersten Termin die Lokomotive defekt gewesen sei. Deshalb hätten im Ergebnis zwei Transporte storniert werden müssen und weitere zwei Transportaufträge seien von der Klägerin nicht bestätigt worden.
Der Mahnbescheid ist am 9. Juli 2020 zugestellt worden.
Wegen des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Kammer ist international zuständig. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die internationale Zuständigkeit sich aus der Gerichtsstandsklausel in Ziffer 13. 1 der AGB der Klägerin i.V.m. §§ 38, 40 ZPO ergibt, wie die Klägerin geltend macht. Denn jedenfalls folgt die Zuständigkeit aus Art. 7 Ziffer 1a) Brüssel-la-VO. Danach kann eine Person aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre. Erfüllungsort ist nach Art. 7 Ziffer 1b) Brüssel-la-VO für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Transportverträge sind Dienstleistungsverträge. Da der Umlauf in Deutschland stattfinden sollte, d.h. sowohl Ausgangs-, als auch Zielort in Deutschland lagen, ist die internationale Zuständigkeit gegeben (vgl. Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag vom 10.04.2018 - C-88/17, juris).
II.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem geschlossenen Frachtvertrag in Verbindung mit Ziffer 12.2 ihrer AGB Anspruch auf die geltend gemachten Stornokosten in Höhe von 85% des Frachtpreises.
1. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien findet deutsches Recht Anwendung.
Die Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern v. 3.6.1999 (CIM) sind nicht anwendbar. Nach Art. 1 CIM, der eine spezielle Kollisionsnorm enthält, die dem allgemeinen IPR vorgeht, gelten diese einheitlichen Rechtsvorschriften für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Schiene, wenn der Ort der Übernahme des Gutes zur Beförderung und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten liegen. Hier lagen lag der Abfahrtsort in f., die Aufnahme des Gutes in M. und die Rückfahrt (mit Fracht) sollte wieder nach f. erfolgen. Damit fehlt es an verschiedenen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 1 CIM.
Damit gilt deutsches Recht und zwar entweder - nach dem Klägervertrag - über Ziffer 13.2 der klägerischen AGB, sofern diese wirksam einbezogen worden sind oder aber - sofern dies nicht der Fall ist - nach Art. 5 Rom-l-VO. Diese Vorschrift lautet: Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern keine Rechtswahl getroffen haben, findet das Recht Anwendung, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates des von den Parteien vereinbarten Ablieferungsorts anzuwenden. Da der Übernahmeort/Abnahmeort vorliegend nicht in P. liegt, sondern in Deutschland, ist deutsches Recht (als Recht des Ablieferungsortes) anwendbar.
2. Die Klägerin hat Anspruch auf das Stornierungsentgelt entsprechend Ziffer 12.2 ihrer AGB.
a. Die AGB der Klägerin sind nach Ansicht der Kammer wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Die Einbeziehung der klägerischen AGB richtet sich gemäß Art. 10 Rom-l-VO nach dem Recht, das nach der Rom-l-VO anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. Das ist hier deutsches Recht, Art. 5 Roml-VO. Da die Beklagte Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB ist, gilt für die Einbeziehung nicht § 305 Abs. 2 BGB. Vielmehr ist für den Fall, dass AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, anerkannt, dass zur Einbeziehung in den Vertrag jede auch stillschweigende Willensübereinstimmung genügt. Es reicht damit aus, dass die Parteien sich auf irgendeine Weise konkludent über die Einbeziehung der AGB einigen. Ausreichend ist, dass der Verwender erkennbar auf seine AGB verweist und der unternehmerische Vertragspartner deren Geltung nicht widerspricht. Eine ausdrückliche Einbeziehung ist auch dann wirksam, wenn die AGB dem für den Vertragsschluss maßgeblichen Schreiben nicht beigefügt waren und der Kunde den Inhalt der AGB nicht kennt (BGH, NJW 1976, 1886, beck-online). Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die AGB wirksam einbezogen. Denn die Klägerin hat in dem Angebot vom 24. Mai 2019 (“öfter“, Anlage K1) bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie ausschließlich auf Grund ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) arbeite und die Beklagte hat nicht widersprochen. Das reicht nach dem Vorstehenden für die Einbeziehung unter Unternehmern aus.
Unerheblich für die Frage der Einbeziehung ist, dass die Beklagte ein p. Unternehmen ist. Zwar ist bei ausländischen Kaufleuten zu berücksichtigen, dass AGB ohne ausdrücklichen Hinweis auf diese nur unter besonderen Umständen als einbezogen gelten können, zum Beispiel, wenn die Partei aus früheren Geschäften wissen muss, dass der deutsche Partner nur nach seinen AGB kontrahieren will und er dies auch bei früheren Geschäften nicht beanstandet hat (vgl. Spellenberg in MüKoBGB, Art. 10 Rom-l-VO Rdnr. 216. Beck-online). Auch im Hinblick auf diese einschränkenden Voraussetzungen ist aber hier von einer Einbeziehung auszugehen. Denn da die Klägerin am Ende des Angebots ausdrücklich auf ihre AGB hingewiesen hat, kommt es auf „besondere Umstände“ nicht an. Im Übrigen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass die Parteien bereits in der Vergangenheit Frachtverträge abgeschlossen hätten, bei denen jeweils auf die AGB hingewiesen worden ist und diese AGB-Praxis der Beklagten auch bekannt gewesen sei. Dass dieser Hinweis auf Deutsch erfolgt ist, ist unschädlich. Denn die Beklagte hat sich auf Deutsch als Vertragssprache jedenfalls eingelassen wie insbesondere ihr Schreiben vom 20. Mai 2020 (Anlage K12) belegt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es Ihr im Hinblick auf Art. 10 II Rom-l-VO auch zuzumuten, bezüglich der (stillschweigenden) Zustimmung nach dem Vertragsstatut (deutsches Recht) beurteilt zu werden. Nach Art. 10 II Rom-l-VO gilt Folgendes: Ergibt sich aus den Umständen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung des Verhaltens einer Partei nach dem in Absatz 1 Rom-l-VO bezeichneten Recht zu bestimmen, so kann sich eine Partei für die Behauptung, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts berufen. Daraus kann die Beklagte indes schon deshalb nichts für sich herleiten, weil sie gar nicht dargetan hat, dass nach p. Recht eine ausdrückliche Zustimmung zur Einbeziehung von AGB erforderlich ist. Für die Frage, ob im Wege der Sonderanknüpfung an das Aufenthaltsrecht statt an das Geschäftsstatut anzuknüpfen ist, kommt es im Übrigen auch auf 6 Billigkeitserwägungen an und zwar in erster Linie darauf, ob die Partei davon ausgehen durfte, ihr eigenes Recht würde zur Anwendung kommen (vgl. Spickhoff BeckOK BGB, Hau/Poseck, 60. Edition, Stand: 01.08.2021, § 10 Rom-l-VO Rn. 12ff., beckonline). Auch dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
b. Die Stornoklausel ist wirksam. Zwar ist ein Frachtvertrag nach § 415 Abs. 1 HGB jederzeit kündbar. Die Rechtsfolge des § 415 HGB besteht jedoch auch nach § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB - ebenso wie in den klägerischen AGB - in einer pauschalierten Kündigungsentschädigung (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 415 Rdnr. 2). Auch ist die Vorschrift des § 415 HGB abdingbar (vgl. Paschke in Oetker, HGB, § 415 Rdnr. 13, beck-online), weshalb auch eine höhere Kündigungsentschädigung vereinbar ist. Ebenso wie in § 415 HGB vorgesehen, wird dem Kunden zudem auch das Recht eingeräumt, einen geringeren Schaden nachzuweisen (Ziffer 12.5) und er schuldet - im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten - auch kein Stornierungsentgelt, wenn die Klägerin die Stornierung zu vertreten hat (Ziffer 12.6).
Die der Höhe nach gestaffelte Stornoklausel ist auch der Höhe nach nicht unangemessen. Die Angemessenheit der Höhe einer pauschalierten Stornogebühr ist im unternehmerischen Verkehr nach §§ 307, 310 BGB zu prüfen. Als Konkretisierung der Generalklausel hat § 308 Nr. 7 BGB aber zumindest mittelbare Bedeutung (vgl. MüKo/Wurmnest, § 308 Nr. 7 Rdnr. 17). Danach ist eine Bestimmung unwirksam, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. Das ist hier weder dargetan, noch ersichtlich. Denn bei einer kurzfristigen Absage von unter 24 Stunden ist im Eisenbahnverkehr mit den im Vergleich zum Pkw-Verkehr komplizierteren logistischen Vorläufen (Bereitstellung Zug, Trassenbereitstellung) schon schwerlich vorstellbar, inwiefern die Klägerin bei einer Absage 24 Stunden vor der Abfahrt noch in einer Weise umdisponieren könnte, dass ihr Aufwendungen erspart worden wären. Hinzu kommt, dass die Stornogebühr nicht anfällt, wenn der Absender die Stornierung nicht zu vertreten hat und es der Beklagten unbenommen bleibt, einen niedrigeren Schaden darzutun. Damit erscheinen insgesamt die verlangten 85% nicht unangemessen.
c. Schließlich sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Stornoklausel erfüllt. Die Beklagte hat mit E-Mail vom 28. Mai 2019 - unstreitig unter 24 Stunden vor der geplanten Abfahrt - den Transportauftrag storniert. Die Beklagte hat auch die Stornierung zu vertreten. Denn sie hat mit der Klageerwiderung auf Seite 2 (Bl. 68 d.A.) selbst ausgeführt, dass die Wagen so verschmutzt gewesen seien, dass eine Benutzung der Waggons nicht möglich gewesen sei. Nach Ziffer 3.2 der AGB hatte aber die Beklagte dafür zu sorgen, dass die eingesetzten Ladeeinheiten für das zu transportierende Gut geeignet waren. D.h. aber, dass sie entweder rechtzeitig hätten als Gefahrgut angekündigt und gekennzeichnet oder von diesem befreit (gereinigt) hätten sein müssen. Dass die Klägerin die Waggons nicht fehlerhaft gekennzeichnet bzw. ohne vorherige Absprache als Gefahrengut über die normalen Trassen befördern wollte und deshalb nicht abgefahren ist, ist nicht ihr, sondern der Beklagten anzulasten. Soweit die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2021 auf Seite 3 (Bl. 96 d.A.) bestreitet, dass die Wagen verschmutzt gewesen seien und dies Grund für die 7 Stornierung gewesen sei, ist dieses Bestreiten vor dem Hintergrund der E-Mail vom 28. Mai 2019, 7:35 Uhr (Anlage K4) nicht durchgreifend. Denn nach soll der correct waybill RID UN1202 sein und RID steht für Gefahrgut. Da er damit im Ergebnis als Gefahrgut gekennzeichnet worden ist, ist von seiner Verschmutzung auszugehen.
Der Zinsanspruch ist nach Zinsbeginn und -höhe unstreitig und rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Daneben hat die Klägerin Anspruch auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten, die ebenfalls der Höhe nach unstreitig sind. Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 291, 288 BGB.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91,709 ZPO.
IV.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 13. Januar 2022 gibt keinen Grund, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, §§ 156, 296a ZPO.
Gericht | LG Berlin |
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Typ | Urteil |
Datum | 27.01.2022 |
Normen | § 38 ZPO, § 40 ZPO, Art. 7 Nr. 1 lit. a, lit. b Verordnung (EU) 1215/2012 bzw. Brüssel-Ia-VO, Art. 1 CIM, Art. 5 Rom-I-VO, Art. 10 Rom-I-VO, § 14 BGB, § 305 Abs. 2 BGB, § 307 BGB, § 308 Nr. 7 BGB, § 310 BGB, § 414 Abs. 1 HGB, § 415 Abs. 2 Nr. 2 HGB |
Stichworte | Stornierungsentgelt, Stornierungsgebühr, Stornokosten, AGB, Gerichtsstand, Frachtvertrag, einbezogen, Einbeziehung, Unternehmen, Unternehmer, Vertragssprache, Vertragsstatut, Geschäftsstatut, Höhe, unangemessen, Gefahrgut |